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Michael Spyra: Ein Nachruf auf Thomas Rosenlöcher

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Michael Spyra

Ein Nachruf auf Thomas Rosenlöcher


Der Tod Thomas Rosenlöchers hat mich überrascht. Ich wurde über einen der unzähligen Kanäle des modernen Miteinanders in Kenntnis gesetzt und bedauere die Nachricht noch jetzt. Mit Thomas Rosenlöcher ist nicht nur ein wichtiger Dichter und Dresdner gegangen, sondern auch ein sympathischer und freundlicher Mensch.
       Ich habe Thomas Rosenlöcher, wie viele meiner ZeitgenossInnen und KollegInnen zuerst über seine Literatur kennengelernt. Das geschah 2005 in Aschersleben. Im Rahmen der Ausstellung „DER HARZ“ konnte „die Harzhütte“ von Moritz Götze, vom Publikum begangen werden. In dieser Hütte fand ich einen gemütlichen Sessel und Thomas Rosenlöchers: „Die Wiederentdeckung des Gehens beim Wandern / Harzreise“ Ich machte es mir bequem und las. Und als ich wieder gehen musste, nahm ich das Buch einfach mit. Das tut mir leid, aber so leid nun doch wieder nicht, weil ich an diesem Tag Thomas Rosenlöcher entdeckt hatte:

Das Zitterbild

Am Grenzhang abwärts, an verschwiegner Stelle,
ging noch ein Wasser über einen Stein.
Die Oberfläche, schwach in sich gekrümmt,
war gläsern fest und zitterte kaum merklich,
da ich die Lippen auf die Fläche legte.
Und unter mir, tief unterm Eis des Wassers,
die Blumen und die Farne wanken sah
und tiefer noch, in einer Grotte
aus reglos schimmernden Metallen,
den Käferkönig und die Schaumzikade,
die Schaumzikade und den Käferkönig
auf goldnen Füßen rasch nach hinten eilen,
als schaue auf meiner Kindheit Grund.
Eisige Kälte drang mir ins Hirn.
Schwarmdiamanten schossen hin und her.
Doch meine tiefversunknen Augen schauten
mich im Versinken seltsam bittend an.
Und auf stieg eines Waldschrats blasses Bild.
Die Stirn in lächerlichem Ernst gefältelt.
Das Aug verlötet von Zufriedenheit.
Die Brille Nickel. Und die Nase Knulp.
Bis sich das Wasser gnädig kräuselte.
Nicht weiß die Unschuld, welches Rohr sie schluckt.
Drei Tage war ich bis hierher gewandert,
und fünf Minuten von hier fuhr ein Bus.  

So lernte ich den Dichter kennen und hatte sofort große Sympathie für ihn. Ein Autor, der sich unprätentiös ins Bild nimmt, während er sich an einem Bach erleichtert. Einer der mir diese Banalität so geschickt und kunstvoll präsentiert, dass ich noch heute meine, ihn schmunzeln zu sehen, während ich sein Gedicht abschreibe.  Ein Autor, der sich dabei selbst betrachtet und mit seiner Natur inmitten der Natur sieht.

Diese Natur, das wurde mir wenig später in seinem Gedichtband: „Schneebier“ klar, lag Thomas Rosenlöcher nicht nur nah, sondern war ihm immer auch ein Anliegen. Dabei ist seine Sprache stets erfrischend und heiter, auch wenn er in tradierten Formen arbeitete. Die dichterische Meisterschaft dieses Autors war und wird jedem schon nach wenigen Zeilen eines seiner Gedichte klar. Und seine Beschreibungen sind in gleichem Maße sinnlich. Mit viel Finger-spitzengefühl entfaltet Thomas Rosenlöcher seine Poesie.
     Im Rahmen der Landesliteraturtage 2017, hatte ich die große Ehre, neben Thomas Rosenlöcher, im Landesmuseum für Vorgeschichte, in Halle(Saale) zu lesen. Danach sind wir, mit vielen anderen Freunden und Bekannten etwas trinken gegangen, haben lustig beisammen-gesessen und uns angeregt unterhalten. Der Dichter war auch ein geselliger Mensch. Und ein glücklicher Mann, der lange mit seiner Liebsten verheiratet war.
         Im Laufe dieses Abends kamen wir auf das Thema des Weckens und geweckt Werdens. Und Thomas Rosenlöcher erzählte eine kleine Anekdote, denn auch darin war er gut! Er zitierte seine Frau, die ihn manches Mal anspornte und aus dem gemütlichen Bette rief mit dem Spruch, der jedem Dichter durch Mark und Bein fahren muss: „Auf welchem Lorbeer ruhst du dich aus?“ Ohne Zweifel eine liebevolle Stichelei!     
         Nun ist Thomas Rosenlöcher gestorben und der Lorbeer, auf dem er ruht, wird so schnell nicht aufzuwiegen sein.

Halle(Saale) den 14.04.2022


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