Mercè Rodereda: Penèlope / Penelope
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Mercè Rodoreda
Penèlope / Penelope
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von Matthias Friedrich
Em
compta el temps la marinada amarga,
la mar amb son abominable crit!
La mel dintre la gerra s’ha espessit
i els brots que vas deixar fan ombra llarga.
Oh xaragall lluent! La seda blanca
serà la lluna de la meva nit;
l’arbre cairat, capçal del nostre llit,
estén encar un pensament de branca.
Esquerpa, sola, tota fel i espina,
faig i desfaig l’absurda teranyina,
aranya al·lucinada del no-res.
Un deix d’amor arran de llavi puja
i mor com una llàgrima de pluja
al viu del darrer pètal que ha malmès.
Die Zeit zählt mir der herbe Südsüdwest,
das Meer mit seinem fürchterlichen Heulen!
Aus meinem Krug quillt zäh ein Honigrest;
die Triebe, die du pflanztest, sind nun Säulen.
O klarer Bach am Hang! In meiner Nacht
wird weiße Seide monden mich umranken;
der Baum, noch rau, zum Bettmast uns gemacht,
verästelt sich auch jetzt wie zu Gedanken.
Verschlossen, einsam, gallig und voll Plagen,
so webe, löse ich umsonst das Netz;
ich Spinne bin vom Nichts in Bann geschlagen.
Was uns vereinte, klingt flugs in mir an:
vergeht, da es auf eine Blüte rann,
die letzte, die er unachtsam zerfetzt.
Originaltext entnommen aus dem Blog »Mercè Rodoreda: autoretrat« (https://autoretratmercerodoreda.blogspot.com/2013/04/el-sonet-la-poesia-de-merce-rodoreda.html); deutsche Fassung hier erstmals veröffentlicht.
Mercè Rodoreda (1908–1983)
kann wohl als die wichtigste katalanische Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts
angesehen werden, jedenfalls ist sie unter den Autor:innen dieser Sprache
diejenige mit der bei Weitem größten internationalen Ausstrahlung: Allein ihr
berühmtester Roman, La Plaça del Diamant, wurde in mehr als 30 Sprachen
übersetzt. Neben zahlreichen weiteren Romanen und Erzählungen, von denen neun
Bände (darunter Der Garten über dem Meer, Weil Krieg ist, Der Tod
und der Frühling) auf Deutsch vorliegen, schrieb sie auch Theaterstücke und
Lyrik. Rodoreda, die einen beträchtlichen Teil ihres Lebens im Exil verbrachte
(nach Flucht vor den vorrückenden Franco-Truppen ab 1939 zuerst in
ver-schiedenen Orten in Frankreich, dann fast Jahrzehnte in Genf) kehrte erst
1972 nach Katalonien zurück. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter
den Premi d’Honor de les Lletres Catalanes (Ehrenpreis des katalanischen
Schrifttums) für ihr Lebenswerk.
Matthias Friedrich (*1992)
übersetzt aus dem Norwegischen und aus dem Katalanischen, zuletzt den Roman Feinschnitt
Barcelona (Picadura de Barcelona) von Adrià Pujol, erschienen
im Franken Verlag, sowie die Gedichte von elf der 21 Autor:innen des
Sammel-bandes Zeitgenössische katalanische Lyrik, herausgegeben vom
Institut Ramon Llull (beides 2024).
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