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meine 3 lyrischen ichs 12.12.13

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meine 3 lyrischen ichs



Mir aufgetan von Tristan Marquardt und Tillmann Severin, den Veranstaltern der gleichnamigen Münchner Lesereihe, wurden diesmal, am 12. 12. 2013, aus Berlin Jan Skudlarek und - als Ersatz für die erkrankte Peggy NeidelNiklas Lem Niskate, der Österreicher aus Berlin, sowie der Münchner Franke Armin Steigenberger.

Jan Skudlarek las im ersten Block aus seinem gerade im Luxbooks Labor erschienenen Band „Elektrosmog“ Prosagedichte.


die vögel wechseln ihre tonbänder

und was da alles so mitschwingt der subtext wilder mitternächte. ein ganz bestimmter vibe. wir sind jung und vermessen. und das licht, hektoliterweise im raum. auch unsere körper sind nur gemietet. endlich nennt einer das kind beim namen.

     (Elektrosmog, S. 18)


Jan Skudlarek


Vermessen - das Wir vermisst die Welt, ihre Eindrücke werden vorsichtig ausgelotet. („Im hintergrund souffliert der fernseher“ – „unsere beine lotsen uns ins trostlose“ – „wir sind so seltsam vernäht“ – „wie das altglas klirrt“ – „unter den stiefeln das schrittweise knirschen von glas“). Leise, statische Gedichte, intelligent collagiert als Apperzeptions- und Gedankensplitter, latent sozialkritisch.
Im zweiten Block las Skudlarek unveröffentlichte Texte, eindrucksvoll konzipiert aus Textstellen des Woyzeck von Büchner.


Danach nahm Armin Steigenberger am Lesetisch Platz und las aus seinem noch nicht erschienenen, aber zu Jahresbeginn bei Horlemann als Lyrikpapyrus avisierten Gedichtband „die fortsetzung des glücks mit anderen mitteln“. Auch er mit sozialkritischen Anklängen.


auf der suche nach artefakten

aus der sweet little körperschafts-kamelle
depravierte betaversion im endgerät

schreddert garbage zu garbage
staub zu staub geräuschlos & diskret

gerät alles in einem lüftchen lückenlos
manierliche marotte cookie zu cookie

löbliches lippenbekenntnis at random
harmlos glimmt realität auswertung findet statt

Armin Steigenberger


Nach der Pause im zweiten Block trug Steigenberger aus seinem neuen Zyklus „nachrichten von nirgendwo“ („morgensonnenmonogramm. ich bin nur eine kugelschreiberskizze.“) vor, noch mehr mit seiner Artistik das gedankliche Labyrinth der Sprache anbohrend. Und einen Auszug aus der druckfrischen Anthologie „Kasinostraße 3. 15 Jahre Darmstädter Textwerkstatt. Herausgegeben von Kurt Drawert“ im Verlag des Poetenladen.


Niklas Lem Niskate trennte die Konsonanten von den Wörtern teilweise ab und trug sie auch einzeln vor. Buchstaben geschüttelt, maschinengewehrgleich etwa p-p-p-p-p-p-p, teils sich steigernd, dann wieder stotternd ausklingend wie nachlassender Wind.
Seine Gedichte sind entweder Nachrichten an sein lyrisches Ich Lem (nummeriert), oder sie werden Geistzeit genannt (auch nummeriert).


GEISTZEIT

I.

die ausstiegen hatten kaltweiße finger
von langer fahrt vor folge von fingern auf fingern
auf chrom substanz
los wie kalt kommender tod

die draufstarrten während sie gingen
automatisch in gesten des gehens der köpfe
gesenkt durch die lichtschranken glas
gefaserte häute zurück
blieben die liegenden schlangenfacetten

die auswerteten draußen am schalter
empfingen und finger saugten die Geister als
gingen die körper kleiner als jene finger
puppen wie schattenentwürfe

die laut trommelten auf kombinationen
von buchstabenorgien bis zu materie finger
lose komplizen die anderen
finger wer weiss wie weiss nur finger

Niklas Lem Niskate

In der Nebenhalle stellte – zeitgleich und zur Veranstaltung gehörend - die in Jekaterinburg geborene, in München lebende Künstlerin

Olga Wiedenhoeft aus, die 2013 ihr Studium an der Akademie für Bildenden Künste in München abgeschlossen hat.


KK
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