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Maxim Borodin: Drei Gedichte

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Maxim Borodin
Drei Gedichte
übersetzt von Julia Grinberg und Steffen Kurz


***
Also fällt dir ein Mensch
in die Arme
wie Schnee vom Baum
jede Nervenzelle reagiert
auf das Knallen der Schüsse
ihr seit aber knallvoll
sagt der Freund vom linken Ufer
als wir nachts
in seine Wohnung platzen
wir schaffen es nicht
bis zu Ausgangssperre
bleiben bei dir
verurteile uns nicht wir sind
die Engel dieses verfickten Krieges
und er seufzt
was soll man nur machen mit euch
kommt rein
dann fügt er hinzu
ihr seid alle verliebt verblödet
wie Kinder
die noch nicht zu leben
begonnen haben
aber schon sich gegenseitig umbringen



***
als auf der Sandbank
neben der Siegesallee
das Fruchtwasser abging
wurde ein Mond geboren
ein Junge namens Krieg
fand man Noahs Schiff
so eine Arche
hundert Meter lang
zwei Atemzüge breit
er stand da einige tausend Jahre
niemand erkannte wieviel
es von früh bis spät dauerte
bis alle Geschöpfe ertranken
wo es Dnipro ins Meer fließt
ein Dampfer
eisern wie eine Schlange
die sich durch mein Schicksal windet
und den Herbst verschlingt
Kaninchenbau
jedem Tierchen sein Reimchen
nur den Mensch den Tod
wenn man lange lebt
kann man sehen
wie Gott vorbeitreibt
müde und glücklich
vom Siegen



***
wie Gott bitten, alles zu bekommen
und nichts zu nehmen
stattdessen vielleicht zu schweigen
wie die Henker schweigen
die in Booten über den Styx fahren
der bei Cherson ins Schwarze Meer
ndet schwarz wie ein Schokoladenkuchen
wie werdet ihr die Beute zurück
geben fragt der Vogel
und die Leber eines
Gefreiten aus Kazan frisst
dritte Kompanie viertes Regiment
der das Feuer über das ukrainische Land brachte
die Geschichte wiederholt sich
wie Hackfleisch was für eine Farce
egal
das altgriechische Fernsehen
hat den Krieg gezeigt
als wäre er unbesiegbar
denen die in Geschichte nicht aufgepasst
und auf nüchternen Magen
geraucht haben erlaubt es Gott nicht
aus Liebe zu lieben und
Raketenkreuzer „Warjag“
im Schwarzen Meer zu versenken


Maxim Borodin, ukrainischer Dichter. Einer der Gründer und Herausgeber des in Dnipro veröffentlichten Almanachs zeitgenössischer Literatur „STYKH“ (1999-2009). Musiker, Songwriter und einer der Gründer der Band „Palto Sorry Band“.
Studierte an der Staatlichen Akademie für Bauwesen und Architektur Dnipro. Bauingenieur. Lebt und arbeitet in Dnipro. Gedichte und Kurzprosa in russ. und ukr. Sprachen wurden in zahlreichen Zeitschriften und Online-Magazinen veröffentlich.
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