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Max Frisch: Zum Theater

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Max Frisch


Zum Theater
(Auszug)

Kein Stück wird immerfort theatralisch sein. Wichtig für seine theatralische Potenz ist nicht einmal, ob es in seinem Verlaufe oft theatralisch ist. Die theatralische Erfüllung, glaube ich, ist immer das Seltene, das Rare, das Auge in der Fläche eines Gesichtes. Entscheidend dürfte sein, ob die wesentlichen oder nur die nebensächlichen Aussagen theatralisch werden. Im letzteren Fall, wo das Theatralische zufällig, nebensächlich, exzentrisch bleibt, wird jede Aufführung, selbst die vollendete, unweigerlich eine Verzerrung bedeuten, eine fälschende Verschiebung der Akzente. Das Theater, sagt dann der Verfasser, ist halt eine schauerliche Vergröberung! Natürlich ist es das, aber es ist nicht die Schuld des Theaters, wenn solche Vergröberung, die einen Shakespeare nie umbringt, mehr als Vergröberung wird, nämlich Entstellung, Verzerrung, Verdrehung, Zerstörung jeder Poesie. Es ist nicht die Schuld des Theaters, wenn der Dichter es nicht brauchen kann. Wer auf die Bühne tritt und die Bühne nicht braucht, hat sie gegen sich. Brauchen würde heißen: nicht auf der Bühne dichten, sondern mit der Bühne -.


(1948)

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