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Mathias Jeschke empfiehlt "sekundenfrühling" von Arne Rautenberg

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11. 08. 2023

Mathias Jeschke empfiehlt
Arne Rautenberg
„sekundenfrühling“

Es ist überwältigend, überwältigend und begeisternd, was der Dichter Arne Rautenberg in seinem neuen Band „sekundenfrühling“ an Weltfülle, Spielleidenschaft und Herzschlag vorlegt!
           Schon im ersten, titelgebenden Gedicht „sekundenfrühling“ sticht das Wort „schirm-rispig“ ins Auge, bild- und rätselhaft gleichermaßen, vor allem aber ansprechend im besten Sinn des Wortes, herausfordernd. Was ist das, gibt es das? Das Interesse ist geweckt und Sprachsinn und -geist nehmen die Fährte auf.
           Der Dichter Rautenberg ist ein wundervoll grandioser Spieler. Ein Mittel seiner Wahl sind unter anderem Ab- und Umlautungen, etwa im Gedicht „papieren“: „gedichte / wie hunde //  papieren / aufs wort“.
           Ob der Gedanke, dass sie „wunden / und wunder“ „beißen / und reißen“ der Ursprung oder die Folge des Ursprungsimpulses für dieses Gedicht gewesen ist?
           Das Gedicht „wie die schwanzbewegung einer achtsamen katze“ ist ein Glaubens-bekenntnis, das ich gerne unterzeichne. Dort „rollt die orange in den käfig der menschenaffen“, als habe es nie etwas anderes zu erwarten gegeben und: „in anbetracht von autos schuhen uhren / all der abgötterei / zählt der duft von heckenrosen / und einzig die frage: bist du dabei?“
           In „wenn im zengarten der rechen rillt“ – schon der Titel ein Gedicht! – imaginiert sich das lyrische Ich als Zwiebel. Auch ist darin die große Weite der Wahrnehmung und Welterfassung dieser Gedichte erfahrbar: „wo findet der schmerz seinen platz / in der passionsgeschichte im quecksilbererguss / im finalen rettungsschuss ein hallraum / im bibelzwiebligen“.
           Dieser Begriff vom „bibelzwiebligen“ spricht – wie anderswo die „pinienlinien“ und viele andere ihrer Art – von der unangeleinten Sprachlust und -kompetenz, aber auch vom wunderbaren Humor dieses lustvoll unbändigen Lyrikers.
           Arne Rautenberg ist ein Dichter, der sich immer treu bleibt – „so nah am original dass es immer erkennbar bleibt“ –, und sich darin beständig weiterentwickelt, denn er weiß: „es braucht steigerei zur fullfilling poetry“.
Arne Rautenberg: sekundenfrühling. Mit einem Nachwort von Durs Grünbein und einem Autorenfoto von Dirk Skiba. Heidelberg (Wunderhorn) 2023. 96 Seiten. 22,00 Euro. ISBN 978-3-88423-699-4
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