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Marlen Pelny: Wir müssen nur noch die Tiere erschlagen

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Dirk Uwe Hansen


Gedichte am Fenster


Merkwürdig zurückgezogen, reduziert erscheint der Ort, an den uns die Gedichte in Marlen Pelnys zweitem Gedichtband führen. Ein kahles Zimmer mit kleinem Fenster vielleicht, durch das die Welt eindringen könnte und doch unscharf bleibt, eine Art camera obscura („es ist verblichen, wir erscheinen noch blasser / alles in allem, wir in diesem Haus / sind Negative ...“), ein Zimmer, das kaum einmal  verlassen wird, und auch dann treten die Wahrnehmungen draußen uns nicht unmittelbar entgegen, nur wie „... das Bild / in dem Bild in dem Bild in dem Bild“, auch sie reduziert auf den kleinen Raum des Moments („der Himmel ist eine Kappe / auf dem Fernsehturm“); „jemand sagt, vermutlich ist da wer“ heißt es einmal.
Vermutlich ist da wer: nur einmal ist im ersten der beiden Zyklen des Bandes (wir müssen nur noch) von einem „ich“ die Rede (wenn ich richtig gezählt habe), sonst heißt es immer „wir“, doch auch dieses „wir“ bleibt stets unscharf, nicht definiert, ja beklemmend; „du rauchst, aber ich rieche es nicht“; „gemeinsam stellen wir uns taub“; „wir betrachten uns im Schlaf“; „zu Hause führen wir Trialoge“ sind solche Formulierungen, die ein Gegenüber ahnen lassen und es zugleich verbergen.

So halten diese Gedichte eine Balance zwischen Rückzug („wir stehen am Fenster und sehen nicht raus“) und etwas wie Sehnsucht nach einem Gleichklang mit dem Draußen und immer wieder stellen sie die Gültigkeit des Wahrgenommenen, des Draußen, in Frage:


„wir können uns fremde Namen geben
die größeren Worte außer Acht lassen
vielleicht sogar schweigen
und Details wahrnehmen
zum Beispiel den Rhythmus eines rührenden Löffels
synchron zum Geschrei der Krähen, die, wie es scheint
nur vor unseren Fenstern Kreise ziehen
wir können die Fenster schließen
still leben“

Im zweiten Zyklus (die Tiere erschlagen) weitet sich der Blick zwar: „die Städte heißen Sydney / Alabama, New York City / Berlin und Eisenhüttenstadt / all diese Namen verändern sich nie“ – auch Paris, Prag, Köln, Melbourne kommen vor, sie zeigen sich aber so wenig als wirklich wie die Krähen vor dem Fenster im ersten Zyklus. Wie das „ich“ nun häufiger auftaucht, bekommt es im „wir“ ein Gegenüber, eines, das angesprochen werden kann („ich würde dir gern sagen, wie es um mich steht“), doch auch dieses Gespräch bleibt meist eine vorsichtig angenommene Möglichkeit. Und da gelingt Pelny, beim Balancieren auf dem schmalen Seil zwischen Rückzug und Öffnung, „mir“ und „dir“ dieses schöne Liebesgedicht:


gewöhn dich nicht an meine Abwesenheit
morgens um sechs, wenn die Laternen noch scheinen
und die Pflegebedürftigen gegenüber die Räume wechseln
und dich beim Wiederkommen in dein Sichtfeld
auf ihren Dimmer neidisch werden lassen
gewöhn dich nicht an fremder Leute Sachen
schließ die Augen hin zu mir
ich liege schlaflos neben dir
und habe vor nichts Angst
ich bespiele die Leinwand aus deiner Tapete
selbst wenn mir in diesem Licht nur die Schatten bleiben


Keines der Gedichte hat einen Titel, sie beginnen mit einer Reihe von Punkten und enden ohne Satzzeichen, wie Momentaufnahmen aus einem Monolog (oder Dialog oder Trialog), der anderswo abläuft. Die Sprache ist lakonisch, und doch scheint immer wieder ein Rhythmus oder eine Andeutung von Reimen hindurch – man wünscht sich, dieses Sprechen zu hören und bekommt, zum Glück, eine CD zum Buch dazu auf der die Dichterin 18 der Gedichte, teils zu Musik, einmal auch – das gefällt mir besonders – wie durch das Telephon liest.



Marlen Pelny: Wir müssen nur noch die Tiere erschlagen. Mit Audio CD. Dresden (Voland & Quist) 2013. 75 S., 13, 90 Euro.

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