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Markus Breidenich: Aus den Schriften der Steine

Gedichte > Gedichte der Woche



Aus den Schriften der Steine


Vom Untergang wusste ich wenig.
Zur fraglichen Zeit
ging ich mit Katern spazieren. Nichts
an ihrem Verhalten war ungewöhnlich.
Nur Regen fiel.

Dass die Tage wieder länger würden,
las ich am Sonnenstand zwischen
den Felsen. Einmal
fiel erstes Licht auf den Schlafzimmertisch.
Der Morgen begann heimlich, ohne Aufsehen.
Nur die übliche Schau des Himmels. Amseln
blieben unbemerkt.

Die Eingeweide meines Kanarienvogels
ließen nichts Gutes ahnen. Vom Keller her
krochen Maden über meine Hand, die ich
zu mir nahm wie Freunde. Sie waren
die Vorzeichen der Asternplage,
Heimsuchungen zwischen Häusern,
Gärten und Wegrändern. Längst
zogen über meinem Kopf Graugänse
an den Fäden, und im Rhythmus
ihrer Flügelschläge bewegte ich mich.
Was aussah wie Veitstanz oder
schlängelndes Leben, war Ausdruck
meiner inflationären Sorge.
                                                                                  
Über den Junihimmel  
zog der Komet seine Bahn. Ich
betrachtete letzte Dinge. Unzählige Blumen
überfüllten die Vasen. Später
nahm ich Tusche und Feder.
Alles kam plötzlich,
während die Katzen miauten.             
                               
Als die Sonne verschwand,
war ich neunzehn, die Erde graugrün.
Den Bimssteinen hinterließ ich Name und Anschrift.


Markus Breidenich: Anemonenbesuch. München (Allitera Verlag - Lyrikedition 2000) 2015.                                                                                                                                                                    

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