Marion Margarethe Kecht: Palmsommer (Little Darling)
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Foto: Martin Trimmel
Marion Margarethe Kecht
Palmsommer (Little Darling)
Es wachsen schief die Palmen,
ganz anders als in Hollywood.
Als hätte jemand vergessen
sie geradezubiegen,
zu entwurzeln, bevor sie
falsche Erinnerungen treiben.
Zwischen Beichtstühlen und Glasfassaden zieht der Sommer
seine Krallen nach innen.
Little Darling,
rennst du barfuß über glühendes Holz,
das noch die Hitze deiner letzten Sünde speichert?
Du richtest dir den Kragen
als wär das Jenseits dein Spiegelbild.
Die Städte verwehen im
Night-Breeze der Ventilatoren,
nirgendwo zerplatzt mehr Sommerregen
auf den Windschutzscheiben
deiner Seele.
Du rauchst dich durch die Stunden,
nicht weil du musst,
sondern weil du nichts Besseres vor hast.
Niemand zählt mehr auf dich.
Und doch trägst du deine Fehler
wie Medaillen unter der Haut.
Wir haben uns nicht gesehen,
jedenfalls nicht richtig,
nicht als das, was wir sind –
etwas scheinbar Heiliges,
etwas, das nur sauber aussieht,
etwas abstrakt Verworfenes,
stecken wir fest in diesem zähen Dazwischen,
erwägen Pirouetten vom Sprungturm in perlendes Nass,
vielleicht als Schattenbruch am Tag der Verklärung.
Du sprichst nicht mehr von Liebe.
Du sprichst von Hunger,
von flimmernden Nächten,
in denen selbst Straßenlampen
wie gestürzte Märtyrer fallen.
September wird dich küssen
mit bitterem Mund.
Und du wirst protestieren,
nicht aus wahrer Empörung,
sondern weil du keine andere Sprache kennst –
nur diese hier:
Trotzschön
und stumm wie
eine Zigarette im Wind.