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Marina Zwetajewa: Die Zeitungsleser

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Marina Zwetajewa:

Der Smartfonglotzer,
frei nach "Die Zeitungsleser"
übersetzt von Hendrik Jackson



Der Smartfonglotzer


Die Schlange kraucht im Lehm
sie schleicht, verführt die Stadt
und jeder am Gerät
mit seinem smart-Ekzem.

Ins schwarze Loch gestopft:
es frisst sie auf, man glotzt
und wischt – bleibt stets allein:
Das Smartfonglotzersein.

Was schaut der Greis? Soldat?
Wer weiß! Sind alle gleich vorm Smart-
fongott. Absent und stult –
und niemand, klar, ist Schuld!
Lass, Mädchen! Aussicht – trüb:
ein Smartfonglotzerbub.

Das Video? Gebloggt?
Die vierte Staffel rockt!
Schwarzpulver war ein Witz
verglichen mit Graphit!

Mal Sonne, Abenteuer, Meer?
Nein, bin ja so schon fern.
Sie sind so selig, wenn sie stiern
und sich im Chatdickicht verliern.

Ein Bild als Instantgruß!
Dafür schon tausend Likes!
Wer was? Mit wem? Ein Kuss!
Man ist, wenn man sich zeigt

Gesichtsbuch quirlt und schäumt
von Theorien, Verleumd
nung... Uboot, das noch sinkt
und sinkt noch tiefer, dringt

in dich bis aufs Skelett.
Nein, lieber als im Smart
fongrab – ins Lazarett
da liegt man doch noch hart

und echt. Die Jugend – schlaff
von zu viel Arbeit, Geld?
Nein: alles schluckt und rafft
die Smartfonglotzerwelt.

Das alles, Freunde, denk
ich, steh ich vorm Gesicht
so leer, in nichts versenkt
– Gesicht ists grade nicht! –

so einer allvernetzt-
en wordwide-Missgeburt.
Und jeder Klick – verätzt.
Und jeder link verdörrt

ihm das Gehirn ... "ruf an!"
Entwischt – schon im Nirwan-
a seiner Smartfonapp
wo alle Kraft verebbt ...

(2017)



ЧИТАТЕЛИ ГАЗЕТ

Ползёт подземный змей,
Ползёт, везёт людей.
И каждый — со своей
Газетой (со своей
Экземой!) Жвачный тик,
Газетный костоед.
Жеватели мастик,
Читатели газет.

Кто — чтец? Старик? Атлет?
Солдат? — Ни че́рт, ни лиц,
Ни лет. Скелет — раз нет
Лица: газетный лист!
Которым — весь Париж
С лба до пупа одет.
Брось, девушка!
‎                     Родишь —
Читателя газет.

Кача — «живёт с сестрой» —
ются — «убил отца!» —
Качаются — тщетой
Накачиваются.

Что́ для таких господ —
Закат или рассвет?
Глотатели пустот,
Читатели газет!

Газет — читай: клевет,
Газет — читай: растрат.
Что ни столбец — навет,
Что ни абзац — отврат…

О, с чем на Страшный суд
Предстанете: на свет!
Хвататели минут,
Читатели газет!

— Пошёл! Пропал! Исчез!
Стар материнский страх.
Мать! Гуттенбергов пресс
Страшней, чем Шварцев прах!

Уж лучше на погост, —
Чем в гнойный лазарет
Чесателей корост,
Читателей газет!

Кто наших сыновей
Гноит во цвете лет?
Смесители крове́й,
Писатели газет!

Вот, други, — и куда
Сильней, чем в сих строках! —
Чтo думаю, когда
С рукописью в руках

Стою перед лицом
— Пустее места — нет! —
Так значит — нелицом
Редактора газет-

ной нечисти.


Ванв, 1 — 15 ноября 1935


Die Zeitungsleser

Die Schlange kraucht im Lehm
sie schleicht, verführt die Stadt
nur jedem ja sein Blatt
und jedem sein Ekzem.
Zerkäuer-Tick: den Leim
den Knochenfraß, den rafft
und stopft sich stumm hinein:
Die Zeitungsleserschaft.

Wer liest? Ein Greis? Athlet?
Soldat? Wer weiß? – Gesicht:
versteckt (Skelett!) – wo nichts
zu sehn ist bleibt die Seit
e Zeitung – ganz Paris
ist weg – verschluckt – ist blind.
Lass, Mädchen, sonst gebierst
ein Zeitungsleserkind.


Sie schau- die Schwester –Mord!
-keln so – der Vater – tot!
Sie pumpen, schwanken fort:
Ein vollgelaufnes Boot.

Was ist schon diesen Herrn
die Sonnenaufgangsglut?
Sie schluckt die Leere gern
die Zeitungsleserflut.

Die Zeitungs- lies: Verblend
ung; Zeitungs- lies: Verleumd
ung; seitenweis Verschwend
ung; scheußlich wie es schäumt.

Womit gehn sie zum Tag
des Lichts (da Gott sie straft)?
Die Häscher jeden Schlags
der Zeit – die Leserschaft?

Verschwunden! Weg! Verschluckt!
Mama! Bedenk im Schreck
Nach Gutenbergschem Druck
Ist Schwarzens Pulver Dreck!

Nein, lieber in ein Grab
Als in das Lazarett
des Schorfabschaberstabs
der Leser eines Blatts.

Und unsrer Söhne Sturz
Bevor! sie blühn - gelingt:
Den Mischern allen Bluts
Dem Zeitungsschreiberling.

Dies, Freunde, fällt mir ein
(mit ungestümer Kraft)
wenn ich allein mit mein-
em handbeschriebnem Heft

Dort steh: vor dem Gesicht
– das leerste weit und breit –
d.h. vorm Nicht-Gesicht
des Redakteurs der Zeit-

ungsunreinheit.

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