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Maria Callís: Asintàctic / Asyntaktisch

Werkstatt/Reihen > Reihen > Der Hafenstrahler

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Foto: © Marta Garcia Cardellach
Maria Callís
 
Asintàctic / Asyntaktisch
 
Übertragen von Àxel Sanjosé

Per carrers sense nom ni sentit et perdies,
fill meu, mut, sense nom ni batecs t’escolaves
sang avall per les cuixes del dia, quan ni fill
no et podíem dir encara. Un botó de carn crua
entatxat dins del ventre, barrejat entre els sucs
que em menaven els dies, un gest borni del cos
que no sap enganxar-se, que no sap ser que sí.
Vas ser no i desfermaves tempesta, vas ser no
i a tu et culpo, fill meu, fill de mi que ni mare
ni nom, ni pols ni cos no volies tenir.
A tu et culpo de ser el meu ventre tan dèbil,
un pronom sense carn, una el·lipsi que sagna,
el meu jo que es fa resta i el meu jo sense ni.
Per l’espès sotabosc del futur et vas perdre,
error meu de sintaxi, tros de jo buit de mi,
quall de polpa a qui el món va balder i ha fet nosa.

Durch Straßen ohne Namen oder Sinn bist du entschwunden,
mein Kind, bist stumm geglitten, ohne Namen oder Herzschlag,
die Beine des Tages hinunter mit dem Blut, als wir dich Kind
noch gar nicht nennen konnten. Eine Knospe rohen Fleisches,
innen am Bauch angeheftet, gemischt unter die Säfte,
die mir die Tage schickten, eine einäugige Geste des Körpers,
der sich nirgends kann einhängen, der nicht Ja sein kann.
Du wurdest Nein und löstest das Unwetter aus, du wurdest Nein,
und dir geb ich die Schuld, mein Kind, du Kind von mir, das weder Mutter
noch Namen, weder Puls noch Körper haben wollte.
Ich gebe dir die Schuld dafür, dass dieser Bauch so schwach war,
ein Fürwort ohne Fleisch und eine blutende Ellipse,
mein Ich, das nur noch Rest wird, und mein Ich ganz ohne Weder.
Du bist entschwunden durch das dichte Unterholz der Zukunft,
mein Fehler in der Syntax, Stück von mir, doch leer von mir,
gestocktes Fruchtfleisch, dem die Welt zu locker sitzt und lästig war.
Aus: Park. Zeitschrift für neue Literatur. Hrsg. v. Michael Speyer. Nr. 75, November 2023. [Erstveröffentlichung in beiden Sprachen]

Maria Callís (Girona, 1983) ist eine katalanische Lyrikerin. Sie hat Katalanische Philologie an der Universität Barcelona studiert und dort nach ihrer Promotion über zehn Jahre als Dozentin gearbeitet; gegenwärtig ist sie als Lektorin für verschiedene Verlage tätig. Sie hat u.a. Werke von Ursula K. LeGuin, Caitlin Moran und Carmen María Machado ins Katala-nische übersetzt und drei Gedichtbände veröffentlicht. Für den jüngsten, La ciutat cansada (Die müde Stadt), erhielt sie 2016 den Premi Carles Riba, eine der angesehensten Auszeich-nungen für Lyrik im katalanischsprachigen Raum. Zusammen mit Blanca Lamar bildet sie das Duo Lleona, das Texte katalanischer Dichterinnen der Vergangenheit und Gegenwart vertont. Seit 2022 kuratiert Maria Callís das Festival »Barcelona Poesia«.
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