Lothar Kowalke: Abklatsche. Ritninge
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Jan Kuhlbrodt
Lothar Kowalke: Abklatsche. Ritninge. Taucha (Verlag Marian
Arnd) 2023. 96. Seiten. 17,50 Euro.
Auf kleinem Raum
Zu den Gedichten Lothar Kowalkes
Die Branche ist dynamisch. Immer wieder entstehen Projekte
und kleine Unternehmungen, die den Buchmarkt füttern, der ja mehr ist als ein
Markt, oder besser der Vorstellung eines wirklichen Marktes nahekommt mit Buden
und Büdchen, Ständen oder Händlerinnen, die ihre Produkte gleich aus dem
Fahrzeug heraus verkaufen, Gewimmel. So vielfältig wie die Stände sind auch die
Produkte, und mir haben es besonders die kleinen filigran gestalteten angetan,
die es selten in die Auslagen des stationären Buchhandels schaffen.
So gibt es seit einiger Zeit auch den Verlag Marian Arnd.
Seinen Sitz hat er in Taucha, einer Kleinstadt mit Straßenbahnanbindung an die
sogenannte Buchstadt Leipzig. Und in diesem Verlag ist ein Buch des 1954 in
Malchow geborenen Berliners Lothar Kowalke erschienen. Klein-formatig, schwarze
Klappenbroschur mit weißer Schrift. „Abklatsche“ heißt es, und als
Genrebezeichnung steht „Ritninge“ auf dem Umschlag.
Der Ritning ist eine Entwicklung des Autors Kurt Neuburger
(1902 – 1996), der sich frei an japanischen Haiku orientiert. Es sind im Grunde
die drei Verse, die im Ritning bleiben, aber er verzichtet auf Silbenzählerei.
Auch heftet er sich nicht an das Sujet. So ergibt sich eine Vielfalt der
inhaltlichen und rhythmischen Möglichkeiten, von der Lothar Kowalke in seiner
Produktion Gebrauch macht. Die Texte spannen in ihrer Dreizeiligkeit einen
Bogen von Aphoristik über Beobachtung und Notat bis zum sprachreduzierten
Klanggedicht. Auffällig ist, dass die im Haiku, meiner Meinung nach, immer
mitschwebende Melancholie durch einen gründenden, zuweilen hintergründigen
Humor ersetzt wird. Scheinbar zeichnet beide, Melancholie und Humor, eine
tieferliegende Verwandtschaft aus.
Drei Beispiele:
über den Blumenweit obenKamerasdas Baby leckt den Riesenschnauzerder Hund perplexkriecht rückwärtsdeine Ascheverzeihlieblos

Diese Beispiele geben nur einen Hauch der Möglichkeiten
wieder, die Kowalke dieser auf den ersten Blick beschränkenden Form entlockt.
Ein wenig ist es, wie wenn man durch ein Schlüssel-loch nach draußen in eine
weite Landschaft lugt, auf der sich nicht nur, aber doch viele paradoxe Dinge
ereignen.
Im Buch finden sich auch sechs Pinselzeichnungen von Thomas
Hartmann, die das literarische Spiel der Reduktion auf ihre eigene
zeichnerische Weise reflektieren.