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Lawrence Ferlinghetti: Notizen aus Kreuz und Quer

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Jan Kuhlbrodt

Lawrence Ferlinghetti: Notizen aus Kreuz und Quer. Travelogues 1960 bis 2010. Köln (Kupido Literaturverlag) 2023. Übersetzt von Pociao. 592 Seiten. 62,00 Euro.

Zu Lawrence Ferlinghettis Reisenotizen


2019 erschien der Roman „Little Boy“ von Lawrence Ferlinghetti in der Übersetzung Ron Winklers. Ein mäandernder Text durch die Tiefen und Untiefen des vergangenen Jahrhunderts, das sich in einer knappen Parallelverschiebung an die Lebensdaten seines Autors schmiegt.

Nun legt der Verlag Kupido Unter dem Titel „Notizen aus Kreuz und Quer“ die Travellogues 1969 - 2010 des amerikanischen Dichters in einer Übersetzung von Pociao vor. Und das, was im Roman geradezu expressiv herantreibt, bekommt einen situativen und tiefen Hintergrund. Ein Kaleidoskop der jüngst vergangenen einhundert Jahre.

Erschienen ist die Originalausgabe 2014. Die Herausgeber Giada Diano und Matthew Gleeson schreiben im Vorwort: „Die vorliegenden Journale bezeugen seine Verbindung mit einem weiten internationalen Feld rebellischer, avantgardistischer Literatur und einer Poesie des Widerstands.“

Ferlinghetti so scheint es, war ständig und in wechselnder Begleitung unterwegs, wenn auch nicht rastlos. Immer wieder kommt es zu poetischen Beobachtungen, die zuweilen in Gedichtentwürfen münden.

„Irgendwo in der Nähe fängt jemand an, eine einsame, wunderschön ekstatische Trompete zu spielen, lang-samer Free Jazz, improvisiert aus dem Licht der Nacht. Es ist, als spielte eine Straßenlaterne auf einer dunklen nächtlichen Wand“.

Jedenfalls umrundet er die Welt und überfliegt dabei sowohl politische als auch geografische Grenzen; trifft dabei Kolleginnen und Kollegen, und unter seinem Blick beginnen Krusten zu bröckeln. Nicht manifest. Das ereignet sich erst später, aber dem Leser, der Leserin erscheint die Möglich-keit einer Veränderung.

Natürlich sind auch meine Eindrücke biografisch formiert. Denn ich kann mich noch ganz gut an den Anblick der Mauer erinnern, die Ferlinghetti von beiden Seiten beschreibt:

„Die Monsterschlange der Berliner Mauer verläuft durch die Stadt wie ein barbarisches Überbleibsel aus dem Mittelalter und teilt sie in zwei geschlossene Lager. Das Ostberliner Lager ist um einiges entschlossener. Unfassbar, dass sie nach zwanzig Jahren immer noch diese barbarische Checkpoint-Charlie-Nummer abziehen!“

Ferlinghetti holt mich gewissermaßen aus meinem vergangenen aber auch gegenwärtigen Eingeschlossensein heraus. Literatur verheißt zuweilen auch Rettung.


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