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Klaus Anders: Staubteufel

Gedichte > Gedichte der Woche
Foto: Frank Wierke
Klaus Anders

STAUBTEUFEL

Die Nacht hat eine Schwester
Gunvor Hofmo

1
R.W.

Gern zog er sich zurück
von laufenden Geschäften, ließ
sie gehen, wenn er den Hof
kehrte oder am Webstuhl saß und
das Klappern der Pedale, der schnurrende
Schützen ihn erfreuten. Schließlich
schwoll ihm ein Karbunkel auf dem Rücken,
ging auf mit sieben Löchern.
Das war's, sagte er sich, litt
ohne zu klagen, als das Fieber stieg,
das Blut begann zu rasen.
Ein Freund kommt, fragt: Was ist?
Was soll sein? Heute Sonne, morgen Mond.


2.
D.F.

Unter dem Bruch im Kalkstein
steht das Haus, von der Tür,
den Läden blättert, stumpf geworden,
Lack. Auf der Fingerkuppe
eine Blattlaus, reckt die Flügel,
putzt sich mit den Beinen.

Der Wein hat schon geblüht.
Vor ein paar Tagen schwärmten die Bienen.
Er geht den Hang hinauf. Im Gehen
schreibt er auf winzigen Zetteln in
kaum entzifferbarer Schrift, was er
zu sagen nicht wagte.


3
A.B.

In der Mittagshitze hüllt sich
die Zypresse in ein Kleid
aus Ölen und Phenolen.
Aufwind über der Stadt
gibt den Milanen Raum
zu mühelosen Spielen.

Dir ist kein Tag bekannt.
Du warst so schnell davon,
wir blieben stumm und starr.
Nach Jahren erst gelungen
der erste Ton, die Klänge,
die unser Sehnen lindern.


4.
E.B.

Die Jahre legten eine Staubschicht
auf das Glas. Scheint die Sonne,
ist es blind, bei Regen trüb
wie Grauer Star. Nachtschatten, bittersüß,
die violetten Blüten gesucht von
Hummeln. Beeren, sie glänzen

noch hart und grün, röten sich
und werden transparent. Im hohen Blau
der Turmfalk, ein Punkt, nur
eine Fliege. Ich bin so blind
wie die Schuppenfenster, höre
im Heu Staubteufel tanzen.


5.
H.G.

Du spieltest nur. Hast mich
nie gefragt, ob ich will, dass
du an mein Leben rührst.
Ich kann dir gar nichts geben.
Meine Worte sind ausgeglüht
wie Sand uralter Wüsten.

Ich hatte, als ich fünfzehn war,
alle Alter durchschritten. Auf mich
schien der Tod zu warten. Jung
wurde ich erst später, der Faden
rollt sich wieder auf, eines Morgens
erwachte ich, sah den anderen Weg.

Ja, du gingst fort. Als hättest du
mich nie gekannt, schautest
wie eine Katze an mir vorbei.
In den Nächten lief ich durch
die Straßen, hell wurde es,
als das Kind in mir sich regte.


6
A.K.

Er liebte den Geruch
von Ringelblumen, den herben
Duft der Blätter, wenn man
sie zwischen den Fingern reibt.
Und so beschwor er im Januar
einen Sommertag herauf.

Das Haus, worin er starb,
ist nicht mehr da; zerbombt und
ausgebrannt. Ein neues kam
und ist schon nicht mehr neu.
Doch kennt er alle, die darin
wohnen, weiß ihre Namen.

Längst ist er aber die andere
Seite leid, obwohl das Wechseln
keine Mühe macht. Denn hier wie
dort stehen Ringelblumen
aller Sommer durcheinander
und träumen was sie träumen.


7.
O.N.

Der Junge, der im feuchten Zimmer
liegt, röchelt. Hände und Füße
sind bereits blau, auch die Lippen.
Die Nase spitz im wachsbleichen
Gesicht. Am Abend, kurz nach sieben
setzt das Röcheln aus.

Noch immer geht er, bei jedem
Wetter, barfuß in die Kirche. Die Steine
so kalt, dass er die Füße
nicht mehr spürt. Ich reib sie ihm,
reib seine Hände, doch Händ'
und Füße bleiben kalt.

Noch immer seh ich ihn
am Weiher, im toten Ried,
wo er nach Fischen schaut,
die in das trübe Grün abtauchen,
wo das Bläßhuhn ruckt. Nun
geht er sinnend durch die Wiese.


8
J.S.

Begleitet von zwei schwarzen Engeln
streift sie durch St. Petersburg.
Sie ist so schmal, so zart,
doch wie ein Salamander
huscht sie durch die Flammen.
Das Eis der Newa spricht zu ihr,
bricht auf. Die Sommernächte
pudern sich mit Kokain, liegen
um ihre Schultern wie Flaum.


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