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Klaus Anders: Stagnelius

Gedichte > Gedichte der Woche

Klaus Anders

STAGNELIUS

Den ihr nicht kennt, nicht kennen wollt,
lebt hinter Mauern, eingesperrt.
Draußen fällt Schnee, Eis verschließt die
Türen, in Fenstern sprießen Gärten,
die kein Blick durchdringt.

Durch meine Adern faucht ein Brand,
Fieber schüttelt meinen Leib,
doch beginnt in mir ein Frühling
hell mit Löwenzahn und Regen,
mit Lilien und Nacht.

Ich küßte dich vor langer Zeit,
bald küßt die Erde mich. Doch meine
Worte bleiben noch ein wenig
wie am Fenster Schmetterlinge,
vom Winterschlaf erwacht.

Sie fallen bald und werden starr
und werden Staub wie ich. Das Schweigen,
das sie treu verbargen wie
Pfirsichfleisch den Kern, der Kern
die Mandel, ist dann frei.

Alles Wasser eilt dem Durchbruch zu,
der mir so finster schien. Doch langsam
hebt der Nebel sich, an Hängen
blühen Äpfel, Schwalben jagen,
als wär nichts vorbei.


Erik Johan Stagnelius, 1793 - 1823, schwedischer Dichter von Weltrang. Studium von Theologie
und Jura, lebte ab 1815 als Büroangestellter in Stockholm. Einzelgänger, ohne Kontakt zu Dichter-kollegen. Der größte Teil seines Werkes erschien posthum.
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