Kerstin Becker: Drei Gedichte
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Kerstin Becker
Drei Gedichte
noch o. T.
wir rennen über ausgezehrte Äcker
uns modert so schwer
albträumen wir?
es rasen die irdischen Pulse
Ahn hat unsere Kleider gestrickt
aus Plastewolle alter wieder aufgetrennter Sachen
die Leute waren langsam darin weggestorben
wir lieben die verbliebenen Tiere sehr
und das ewige Ei
wenn wir nur einmal aus uns selber schlüpfen könnten!
aber so sitzen wir Rücken gerade mehltauüberzogen
am Abendbrottisch der Unendlichkeit
und kauen die mit der Zeit
abartigen Speisen
sie bekommen uns nicht
doch schlucken wir sie
wie uns geheißen
Chor
unscheinbar ist unsre Art
wir atmen feinsten Staub auf sinnentleerten Fluren
Leuchtkörper springen an
unsre Eimer unsre Augen unsre Lappen
wir wischen zwischen Aktenschränken schwitzen leis
unsere Spuren bleiben eine Weile auf dem Kunststoff stehn
als wärs ein Strand
gingen wir barfuß irgendwo
träumen wir oft
wir führen unsre Schrubber tadellos
wir kratzen fest jagen Gelände ab
wir überleben Schrunden jedes Clo
wir finden Wege zu Containern blind
unsere Anstrengung steigt auf
wir hetzen fegen ernten Keim
gebenedeit
Spanne
die Frauen sitzen in Kittelschürzen
auf ihren Hitschen
auf dem abschüssigen Hof die Zeit
gerbt derb
sie leben näher mit dem Vieh
spähen nach den Ställen
rupfen Leiber brennen Kiele
wecken Sommers Würfe ein
puhlen Steine aus den Früchten
blutge Hände Nadelstich
seihen Brühen stopfen Schliss
hocken schleppen Scheite dürr
schälen Erpern still und stumm
mit den krummen Messern
Schalenketten für die Säue
gelbe Knollen für die Sippe
in die Tröge in den Topf
der Krieg
galliger Nachgeschmack
der ihre Wälzträume bei Nacht
von innen bitter macht
Kerstin Becker: "o.T." und "Chor" unveröffentlicht,
"Spanne" aus Biestmilch (Dresden, edition AZUR, 2016. 98 Seiten. 17,90 Euro.)