Kerstin Becker: Dreh
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Foto: Dirk Skiba
Kerstin Becker
Dreh
Glitt
klein auf gefrorenem See
– rings in
der Dunkelheit schwankende Eichen –
Runde für
Runde dahin.
Ein Arm
auf dem Rücken, der Rumpf gebeugt
wie unsre
Schnellläufer im Chromat.
Glitt in
Trance im Kreis nach Abendbrotschnitten so spät.
Großmutter
rief im goldenen Lichtfleck:
„Komm nauf,
mein Kind, mein Kind!“
Doch ich
trieb unerreichbar im Wind,
im
Knistern mit Bissen und Kniffen sibirischer Luft im Gesicht.
Die
Strickmützenbommel – mein Umlaufbahnpendel,
schhhhh,
schhhhh, schhhhh, schhhhh …
Finger
erblinden, Füße ertauben
und folgen
doch weiter dem pulsenden Rhythmus des Schnaufs.
Ich
eingenordetes Teilchen des Weltendrehs Weh.
Verschwunden
der Lichtfleck, verschwunden der See,
doch ich
dreh, lieber Gott, ja ich dreh!
(unveröffentlicht)