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Kathrin Bach: Schwämme

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Franz Hofner


Zu Kathrin Bach: Schwämme



Das kurze Büchlein, erschienen bei der Kölner parasitenpresse, eröffnet mit einer höchst konzentrierten, sozusagen glasklar formulierten Programmatik.

am See ist die Haut an ihrem glasigsten Punkt
zum Ufer hin raut sie sich zusammen


Die Engführung von See und Haut, die unmittelbare Verschneidung mit Durchsichtig-Werden und Durchsichtig-Sein lässt vermuten, was die Folge der Texte bestätigt: Es wird nicht um die äußere Natur gehen, sie wird als Chiffre für Seelisches dienen. Dem Wasser wird seine Charakteristik als Teil der sichtbaren Natur entzogen, sowohl geographisch, ökologisch als auch geologisch (ans Ökonomische wagt man in einem Lyrikband eh nicht zu denken). Es ist ein See, Punkt.


Ob der beschriebene See künstlich oder natürlich entstanden ist, außen oder innen, das spielt keine Rolle für das Gedicht. Er steht, von ein paar Tannen und Felsen umgeben, als Bildmaterial und als Metaphern-Reservoir zur Verfügung für das, was eigentlich interessiert - der Weg nach innen, durch die Haut. Das Verhältnis zur Au-ßenwelt, zum Ufer ist ambivalent, es raut sich; dort lauert, wenn nicht das Grauen, so doch –
    Antilyrisches? Bereits nach zwei Zeilen ist zu vermuten: man wird nicht mit Aleppo, Hartz 4 oder den Speicherseen für die Schneekanonen der Ski-Industrie konfrontiert werden.

Im Fortgang stellt das erste Gedicht ein lyrisches Ich vor, das sich mit sich selbst beschäftigt, das die eigene lyrische Tätigkeit ernst nimmt und sich ihrer bewusst ist, also ein bisschen neben sich steht:

ob ich zum Wasserhahn gehe
ob ich mich bäuchlings auf die Diele lege
quer durch den Farn hindurch
gehe ich auch hier einer Arbeit nach


Dies ist programmatisch zu lesen. Keines der Gedichte in dem Band wird ohne das Wort »ich« auskommen. In jedem findet es sich in einem mitgelieferten nach außen hin greifbaren und damit anfassbaren Kontext, der wie die Szenenbeschreibung in einem Drehbuch Hintergrund und Setting der ästhetischen Verständlichkeit liefert. Hängematte, Stuhl, Bett, knackendes Haus (»Dolny«), Pfade benutzend, »kreuze Wald, Tränken, Teiche«, Erker mit Licht (»Die ganzen müden Pferde«), »Heuballen / als hätte jemand / von oben Boulekugeln geworfen«. (›Ocker‹).
    Ist die Natur ein Spielplatz, mit dem das lyrische Ich keinen Kontakt finden kann? Das Thema, um das die Texte kreisen ist die Grenze zu der Gegenständlichkeit, die das lyrische Ich ausschließt oder auch konstruiert:

mein Blick
der das Gelände immer wieder umzäunt

sonst bewegt sich nichts.


Selbstbezug und Selbstbeobachtung sind der Autorin Inhalt genug. Sie beschreibt Momente der Introspektion, die ihr wert scheinen, überhöht zu werden, die irgendwie besonders sind. Dieses ›irgendwie‹ speist sich in den allermeisten Fällen aus einer Empfindung, die sich schwer ohne ein gewisses Maß an Selbstliebe vorstellen lässt.

Wasser und darauf Wasser in Blöcken
weil ich seit Tagen darauf starre schmelzen sie


Die Gestik ist typisch für das Verfahren von Kathrin Bach: nicht das Wasser berührt die Autorin, sondern sie wirkt durch eine Art lyrischer Magie und innerer Wärme auf die Natur zurück. Und wenn das konstruktivistische Moment im Weltbezug in den Vorder-grund tritt, beginnen Ich und Welt ganz zu verschmelzen:

(...) die Hügel der Stadt
die wenn du sie genauer betrachtest
zu meinen Händen gehören


oder auch:

die Zäune zwischen denen ich laufe sind Schultern
meine schmalen Schultern in die Länge gezogen


Es geht in den Texten nicht darum, was mit den Dingen oder der Autorin nach der Anverwandlung geschieht, sondern das Einspinnen des Großen in das Kleine, in den Seelenkokon, ist ihr das Erzählenswerte. Sollte etwas - wie der Unfall eines Mädchens in ›Kreuzungen‹ - sich mit Blut und Schmerz ins Bewusstsein drängen, finden sich die Beschreibungen zum Ende hin hinaus-katapultiert in die eigenartige Wirklichkeit draußen:

Hotels, ihre Zimmer, ihre Flure
Kliniken, ihre Zimmer, ihre Flure
die, die wach sind, während ich schlafe


Und damit endet das Kreuzungen-Gedicht, bei der schlafenden Autorin, die die raue Außenwelt wie zu einem Traum herabgedämpft hat. Ähnlich beim Kontakt mit den Großeltern, deren Vergangenheit mit Kriegserlebnissen wie Schatten herandringen, die die Luft stickig machen – auch hier nach der Zeile »in Opas Kopf wartet ein Granatsplitter«:

ich bewohne eine Gegend
die gelüftet werden müsste


Keine Welt außer der Innenwelt, das Innere schützt sich mit der Konstruktion einer Außenwelt, die das Ich tragen kann, einer Welt ohne Splitter und Schmerz. Die gesellschaftlichen Realitäten sind weitgehend ausgeblendet. Die Schilderungen wirken dadurch manchmal wie im leeren Raum entstanden, wie lyrische Ausgestaltungen von Freizeit oder Urlaub. Die Natur ist für lyrische Spaziergänge nutzbar, wie für Seelenreisen geschaffen. Dennoch bleibt sie im Vergleich zum Innenleben der Dichterin ohne Agens. Vielleicht rührt gerade daher der Versuch der Autorin, mit Vergleichen und Analogien die Innenwelt immer wieder rückzukoppeln auf Haptisches. »wie auf einem im Schlaf schwitzenden Körper«, »wie Wimpern aus dem Auge«, «wie Schaschlikspieße in Dächer gerammt«, »in Dinge wie in einen Korken«, «Tauben wie ein Handtuch ausschütteln«, »wie Sattel auf den Erdrücken«, »ragt wie ein Ast in die Stadt« usw.

Man kann die Weltferne bedauern, muss sich als Leser daran aber nicht stören. Die Texte beanspruchen nicht, mehr zu sein, als sie sind. Hier wird kein konstruktivistisches Programm durchgeführt, eher dient das eigene Erleben als Experimentierfeld für einen magischen Realismus, in dem die Trennung zwischen Ich und Welt in einem geschützten Raum gelockert wird. Das setzt kreative Möglichkeiten frei, die Bach souverän in modernem sprachlichen Duktus ausgestaltet. Es wird spannend sein zu sehen, ob diese lesbare, zugängliche Poesie Widerhall in einem breiteren Publikum findet.


Kathrin Bach: Schwämme. Gedichte. Köln (parasitenpresse) 2017. 14 Seiten. 6,00 Euro.

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