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Katharina Schultens: I + II

Gedichte > Zeitzünder



I

draußen: abhanden. buschfeuer, huschende leute tragen
in große tücher eingeschlagen ihre abkömmlinge. sag ich
bin dir unabkömmlich, sag ich bin unverzichtbar, herz.

ich habe nichts mehr übrig an weichheit darüber hinaus
was ich an weichheit für dich habe und für mein kind.
schon meine mutter kommt zu kurz. ihr herz stockt.

ich will aufrufen: ölfelder, kommandeure und ihre irren augen
jede pipeline endet verwirrt in einem kommandeur, dessen blick
die welt anzünden will. ich will, herz, die welt nicht mehr aufrufen.

sag: feigheit, sag: lust, sag: ennui, schlag mich. schlag mich
in ein großes tuch ein und trag mich vor deiner brust
dein weiches tier, schmiegsam, draußen im busch.

wir müssen nach australien fahren, rohstoffe suchen
wir müssen alles nehmen, was wir haben, es ist viel
wenn wir in prozenten rechnen und wenig, zu wenig

rechnen wir in energie.


II

ich entkomme jenen kommandeuren  ebensowenig wie ich dem tod entkomme
aber alles lässt sich eine weile auf abstand halten: pelztiere, liebe, ein hieb
mit dem beil vielleicht nicht, kommt drauf an, wer sie führt.

ich hatte vergessen, wie sehr alles improvisation ist. wie schnell
eine sprachnachricht unwiderruflich wird, banale enden
woraus bastelt man tragik? welche elemente fallen

folgerichtig aus der geschichte, damit sie stimmt?
ich weiß, jetzt fehlt ein detail, ein farbiges kleid
vielleicht, ein geruch nach konkretion

pflaumen zb, scheiße auch, idiotie.
etwas knallt und kürzt meine zeilen ein.
schuß, metapher, sandfarbene rachegedanken

an der methode. ich vergesse wie das kind riecht
und renne, renne jeden abend, denn das kind könnte
tagsüber meinem leben abhanden gekommen sein. was

weiß denn ich. ich habe meine hände vererbt, dringend
müssen jetzt meine augen folgen, ich münze sie in kastanien
um, es wird eine allee wachsen, in einem fernen herbst wirft sie

meine blicke in ihre mitte.


(Katharina Schultens: unveröffentlicht, 2016)

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