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Karoline Weißblech: Mythen und Spam

Diskurs/Kommentare > Diskurse > Kommentare
Kimon von Athen,
Büste auf Lamaca, Zypern
(Quelle wikimedia).
Karoline Weißblech
Mythen & Spam


Es war einmal ein noch jung wirkender, stattlicher Stratege so beliebt im Volke, dass  gewisse Kräfte, vor allem solche, die sich gegen den gottgewollten Adel eingestimmt hatten, einen Weg finden mussten, sein Charisma als Göttersohn ein für alle Mal zu beschädigen. Also empfahl es sich, ihn zunächst, mit den Mitteln der Kommunikation bewaffnet, in die Enge zu treiben, denn seine Beliebtheit bestand vor allem darin, dass er auf seinem Feldherrenhügel unbeweglich dasaß, ohne sich zu bewegen. Je mehr man ihn bedrängte, desto eher würde er den Fehler machen, auszuweichen, und damit seine mythische Unverwundbarkeit selbst entkräften.
      Da die anders Denkenden – man könnte sie auch Presse nennen, im Sinne von Druckausüben – sich immer mehr im Anonymen austauschten, wurde der adlige Stratege langsam unruhig, doch bewegte er sich nur unmerklich. Schließlich kam man auf die Idee, ihm eine Straftat nachzuweisen. Deshalb durchsuchte man seine Schwächen, durchdachte alle seine Aussagen und Titel. Denn man wusste, das Volk sehnt sich nach wie vor insgeheim nach Helden, teils schlafend unter der Erde, teils dort wachend auf Tage der Verheißung.
      Sie werden längst wissen, welcher Göttersohn gemeint ist? Genau. Kimon von Athen. Der Klasse der Feudalherren zugehörig, war er dreimal Sieger bei Olympiaden. Große Vermögen konnten schon damals nur von Nicht-Aristokraten durch erfolgreiche Handelsgeschäfte gebildet werden, es sei denn sie waren Kriegsbeute oder ererbt. Plutarch vergleicht den athenischen Feldherrn Kimon mit dem römischen Strategen Lucullus, denen beiden zu ihrer Zeit als Beuteanteil ein legendäres Vermögen zugesprochen worden war. Wie sie aber ihren Reichtum verwendeten, Kimon als Mäzen von Wissenschaft und Kunst, Lucullus eigennützig, interessierte zwar Plutarch, nicht aber tut es das heute. Kimons Straftat bestand auch nicht darin, sich mit fremder Feder zu schmücken, schon gar nicht mit einer solchen, die ihm als Stratege aus Schrot und Korn unangemessen gewesen wäre, hingegen war er um ein freundschaftliches Verhältnis, nein, nicht doch, nicht zu Russland oder Afghanistan, zu Sparta bemüht. Und als demokratische Bestrebungen in Athen an Gewicht gewannen und man befürchtete, er plane, die bereits errungenen Reformen rückgängig zu machen, wurde ihm Hochverrat unterstellt. Auch er blieb, obwohl das Scherbengericht ihn als Spion in die Verbannung schickte, so beliebt, dass man bereits vor seinem Abgang von seiner Rückkehr träumte. Und tatsächlich kam er 451 v. Chr. frühzeitig zurück –
      Zum Glück kennen wir die Zukunft nicht. Deshalb kann die Presse uns unentwegt mit Informationen bombardieren, die zum Teil nur Spam sind. Wer einmal ein paar Stunden sogenannte Nachrichtensender mit ihren „Breaking News“ ertragen hat, weiß, wovon ich spreche. Nur die Mythen bleiben, fragil und austauschbar.


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