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Karla Reimert: Weintrauben

Gedichte > Gedichte der Woche


Karla Reimert



Weintrauben

Im Traum verwandle ich mich in Männer und Frauen, die ich liebe.
Sie entsteigen einer Schale voll heller Trauben,
schön und sanft wie Huris in Gedichten Rumis vom Paradies.

Unschuldig und früh trennen wir uns, die Körper noch schlafwarm.
Das Meer ist immer nah, und die Zärtlichkeit für uns ist grün,
schwer von Chlorophyll und in mir eingefasst wie Meereslicht in Smaragd.

Erzähl, welche Leidenschaften formen uns denn zu Geliebten?
Erst kommen Tugendschatz, Staubherz und Verlust von Schutz.
Weißes Gottesauge. Frost, der im Körper hungert und brüllt.

Nur einen Schritt weiter hören alle meine Tauschgeschäfte auf.
Wenn ich Haut auf Haut lege, koste ich vom Mund der Verklärung.
Das Geschlecht verwandelt sich mir wie die Farbe von Haar.

Im Traum versöhne ich das, was kommt mit dem, was lebt.
Mit dem, was in Kernen ist, wenn einer alle Süße löscht.
Mit dem Weltenwundergang, der Vergeltung und Tod überwächst.

Am Morgen schneide ich frische Trauben. Schmücke die Schale.
Was auch immer Gold Alchemisten bedeutet hat:
Diese Reben wissen besser, wie man sich selbst erleuchtet.  



(Karla Reimert aus dem Zyklus Traumjobs, 2017)

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