Julia Mantel: Der Bäcker gibt mir das Brot auch so
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Gerrit Wustmann
zwischen zwei laken, zwischen zwei zeilen
Die Frankfurter Dichterin Julia Mantel legt ihr drittes Buch vor
„new poems“. So hieß der vor genau zehn Jahren im Fixpoetry Verlag erschienene Debütband der Frankfurter Dichterin Julia Mantel. Das ist mutig, dachte ich damals. Ein schlichter Titel für ein Debüt, aber auch einer, der sagt: Neue Gedichte! Der Unterton: Darauf hat man gewartet, endlich neue Gedichte von Julia Mantel lesen zu können. Dabei wird auf Lyrikbände ja generell eher selten gewartet, geschweige denn auf das Debüt einer damals noch völlig unbekannten Autorin, die zuvor nur sporadisch Gedichte publiziert hatte. Der Titel zeigte Haltung, das gefiel mir – die Gedichte gefielen mir noch besser.
Drei Jahre dauerte es dann bis zum zweiten Band „dreh mich nicht um“, ebenfalls im inzwischen leider eingestellten Fixpoetry Verlag Hamburg. Traurig-wütende Liebesgedichte waren das, in denen die Autorin oft mit autobiografischen Anklängen eine frühe Bilanz zog über Leben, Gefühle, das Scheitern und all das andere Zeug, das sich so ansammelt im Laufe der Jahre, und das in einem Ton, der sowohl rotzig als auch verletzlich daherkam und insgesamt sehr frisch wirkte. Dass Julia Mantel dann aus ihren Texten las und dabei einen langen Mantel trug, fanden manche im Publikum bisweilen albern, andere sahen es als netten Gag. Ich verstand es eher als augenzwinkerndes Spiel mit der Frage, was an den Gedichten denn inhaltlich echt, was Fiktion ist. Ein Kollege mutmaßte gar mal unter vier Augen, „Mantel“, das müsse unter diesen Umständen doch ein Künstlername sein ...
Und nun der dritte Streich. „Der Bäcker gibt mir das Brot
auch so“, unlängst erschienen in der Edition Faust. Eines vorweg: Der Band ist,
wenn man die beiden ersten kennt, nicht überraschend. Er knüpft in Stil und
Inhalt nahtlos an die Vorgänger an, schreibt sie in gewisser Weise fort:
geliebter, winterzwischen zwei lakenzwischen zwei zeilendein rauer atemwie ein zuhausewenn wir uns haltenin den kaltennächtenohne versprechungenbisherbis hier herauf dem weg nach hauseführt doch kein weg zurück
Was auffällt: Der Ton ist düsterer geworden, bisweilen
resignierter. Was Julia Mantel hier abliefert sind keine Gedichte, aus denen
die Frankfurter Skyline spricht, sondern eher die Wohnblocks in den Vierteln
der Stadt, die auch existieren, über die aber nicht gesprochen wird. Es ist die
oft beschworene „Literatur von unten“, die in all den Ärztesohn-Debatten in den
Feuilletons immer ebensosehr herbeigewünscht wie ignoriert wird. Denn es ist ja
ein Unsinn, zu behaupten, es gäbe diese Art Literatur nicht. Sie mag in der
Stipendien- und Festivalszene kaum vorkommen, und das hat sicher Gründe, über
die zu sprechen ist. Aber sie ist da, ist hier, wenn Julia Mantel vom prekären
Dichterinnenleben zwischen FFM, Berlin und Hamburg erzählt, von Hartz IV und
Krankenkassenzuschüssen, von Enttäuschungen, die sich durch die Liebe ebenso
ziehen wie durch die unmögliche ökonomische Verwertbarkeit gewisser
Textgattungen. Es sind, und da sind wir wieder bei der Wechselwirkung von Text
und Haltung, einsame Gedichte über die Einsamkeit, die zwischen Resignation und
Widerstand pendeln.
gehen die tage vorbei, fällt der regen,fallen die worte, streicheltdie hand über den schweren kopf, schlafenwir beide im auto traumlos ein.
Diese vier Zeilen stehen stellvertretend für den ganzen
Band. Der Kopf ist schwer, alles fällt, ist ungehalten, man schläft nicht in
warmen Betten, sondern im Auto, und wovon soll man noch träumen? Selbst
Alpträume bergen ja die Hoffnung aufs Aufwachen in sich... So wird auch das
Schreiben selbst zum „drahtseilakt“:
die worte findenkeine balance mehrkein seilspannt sichzwischen unserenmündern aus draht
Und eine Seite weiter fragt das Lyrische Ich dann: „wovor
hast du angst?“ Ist das höhnisch gemeint? Oder einfühlsam? Oder zielt es
darauf, dass man vor nichts mehr Angst haben muss, wenn es nichts zu verlieren
gibt? Oder vor der vom Populismus beschworenen allseitigen Angst vor der Angst
und auch sonst allem? Das sei verraten: All das schwingt mit, aber die
Auflösung ist viel elementarer.
Julia Mantel: Der Bäcker gibt mir das Brot auch so. Gedichte. Frankfurt a.M. (Edition Faust) 2018. 72 Seiten. 18,00 Euro.