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Jonathan Perry: Drei Variationen von Licht

Montags=Text
Jonathan Perry

Drei Variationen von Licht
 
                                                                               M. D. zum Gedenken


I

        Abends am See.
An der sonnenhellen Seite dichtes Gedränge, vorm Ufer und im grünen Schatten der Platanen, oben überm Hang.
   Funkelnd, glitzernd das Wasser, wo ein Wind die letzten Sonnenstrahlen verkräuselt, glattstreicht, verkräuselt und wieder …
      Und Mücken überm Schotterweg, schwirrende leuchtende weiße Punkte: Da und dort atmet einer sie ein und lächelt und weiß nicht, warum –
      Schmeichelhafte, milde Luft, Luft nach langer Regenzeit, warm, und duftend wie ein oft und oft getragenes Tuch.
       Heimlich hat der Sommer begonnen.



II


        Flussrauschen.
Dumpf noch, langsam dringt es durchs Hartriegeldickicht, das mit den dunklen Blättern still, ergeben nickt, im Wind. Ein leises, zärtliches Atmen …
       Beständig, regelmäßig bricht das Wasser unten an den Felsen, emsig, geduldig.
Hellgrün und leicht wie Flügel von Zitronenfaltern zappeln die Akazienblätter oben im dunstigen Blau.
       Am frühen Nachmittag, irgendwo am Rand eines verschlafenen Dörfchens.
Und wie durch Hundert seidene Vorhänge nun das heitre Hin und Her eines Zilp-Zalps – im Schatten der Böschung.
       Stille.
Dann, jäh, ein Glucksen, ein kehliges dunkles Schlucken, von unten herauf. Wieder.
       Es ist kühler geworden.



III

   Grau, das ist die bestimmende Farbe hier, dunkles Grau an den hochkantigen kahlen Gebäuden, an den Säulen, die sie stemmen, helleres fleckiges Grau am Platz rings, der sich zieht.

        Dort irrt eine einsame Ameise drüber, im Kreis, dann an den schmalen säuberlichen Fugen entlang, hält inne jäh.
Nichts wirft seinen Schatten auf diesen endlosen grauen Platz.

Und dann der Blick hinauf, zum kaum bewölkten Junihimmel und dankbar trinken die müden, schweren Augen Blau.

       Leer ist der Platz. Kein Baum, kein Grashalm, keine Menschenseele, die sich wiegt im Föhn.
       Von Westen weht er her, alle halben Minuten einmal, und bringt kaum Erfrischung, tupft die Haut ab zwar da und dort. Doch augenblicklich vergisst und glüht sie drückend in die Knochen hinein, in die weißen Knorpel und Knochen hinein …

        Stilles Grau, dröhnend still, wie nach einem Schlag auf den Hinterkopf, sirrendes Grau.
                         Ja, aber an seinen Rändern, umso wilder, dichter, das Grün von Akazien, das üppig überquellende von Weiden, die kreuz und quer durcheinander rufenden Gräser: Blassgrün, das seine flüchtigen Schatten spendet dem durstigen, immerzu durstigen Moos.
        Moos, das über Pflastersteine zerfließt.
Moos, das in den Himmel dampft.

      Und vielleicht ist da auch noch ein letztes verblühendes Blümchen, das hinspritzt und seinen Namen sagt, immerzu, immer leiser, immer blasser:
        Vergissmeinnicht!
        Vergissmein…!
        Vergiss…

        Hart ziehen sich die Konturen rings hinüber, Rahmen, aus dem Leim gegangen, verstreut und überkreuz.
    Und die Sonne am Zenit lacht über alle, übergießt sie mit ihrem herrischen Gelb der Versöhnung. Sogar die Schatten, unter den Linden drängen sie sich zusammen in Pfützen – erbleichen.

       Duftflocken, die über den Wiesen und Wegen hängen, aufgewirbelter Blütenstaub, der sich nicht mehr legen wird – einen langen, drückend heißen Tag lang.


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