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John Burnside: Apostasie / Apostasy

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Ulrich Schäfer-Newiger:

John Burnside: Apostasie / Apostasy. Gedichte, Poems. Zweisprachig. Übersetzt und mit einem Nachwort von Iain Galbraith. Mainz (Golden Luft Verlag) 2023. 39 Seiten. 23,00 Euro.


Vielleicht müssen wir die vierzehn Gedichte, die unter dem Titel Apostasie / Apostasy zweisprachig 2023 in Deutschland in dem kleinen, aber feinen Verlag ‚Golden Luft‘ aus Mainz veröffentlicht wurden, als eine Art Vermächtnis des am 29. Mai 2024 überraschend verstorbenen John Burnside auffassen, als eine Art Quintessenz all seines Dichtens. Denn mit seiner Biografie haben sie zu tun, dem wie er wurde, was er war. Werden sollte er nach dem Wunsch der Mutter Priester. Er wurde: Dichter.

Diese vierzehn Texte sind zunächst auf eine besondere Art fremd und widerständig. Sie tragen Titel wie: Fußnote zu Kolosser oder Entwurf für ein Stabat Mater oder Litha oder Anmerkung zur Häresie der Sethianer. Andere Titel scheinen einfacher: Die Geburt Jesu, Mitternachtsmette oder: Den Trug betreffend. Schnell wird deutlich: Hier geht es um christlichen Glauben, um Religion, um etwas Katholisches. Schon der Buchtitel (auch eines der Gedichte ist so betitelt) verweist darauf, ist er doch sogar ein Rechtsbegriff des Codex Iuris Canonici. Er bedeutet, sehr vereinfacht, Abwendung, Abfall vom Glauben. In den Gedichten gibt es Hinweise auf Bibelstellen, die nicht jeder gleich parat hat (Lukas 18,34 oder Psalm 139,23). Auch enthalten die Gedichte zuweilen lateinische Zitate (Beispiel: pulvis es, et in pulverem reverteris im Gedicht Aschermittwoch), die nicht übersetzt sind. Das sind religiös-rituell anmutende Worte und Sätze.
Dem ersten Gedicht etwa, Fußnote zu Kolosser, stellt der Dichter ein kurzes Zitat aus dem Kolosserbrief voran: Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen, (Kol. 3,3). Der Dichter wendet sich im Verlauf des Gedichtes von dem mystischen Ort, in dem er sich verortet, dem Limbus, in dem er pagan, unkörperlich, als Phantom sich fühlt, ab und erkennt sich am Ende ganz real auf einem banalen Polaroid-foto, wobei er aber noch leise daran zweifelt, dass er das ist. Das Gedicht beschreibt äußerst subtil den Prozess der Erkenntnis seiner Abwendung von mystischen Orten und Formen, in die man ihn wohl als Kind hineinpresste.
Wer sich aber von etwas wegdreht, wer sich abwendet von dem, was er bisher angeschaut hat, der wendet sich auch gleichzeitig zu etwas hin. Darum geht es in den Gedichten vor allem.

Alle Gedichte dieses schmalen Bandes erzählen auf die verschiedenste, vertrackteste, mehr oder weniger verklausulierte Weise von einer solchen Abwendung von etwas unbestimmt Mystischen hin zu etwas Realem, Weltlichen, meist sind es Attribute der Natur. Der Leser ist gefordert, die entsprechenden Symbole und Metaphern zu erkennen und zu deuten. Je weniger er mit dem christlich-katholischen Glauben vertraut ist (so wie es Burnside aufgrund seiner Biographie war), desto langwieriger ist dieses Erkennen für ihn. Manchmal hilft der Übersetzer, Iain Galbraith, ein wenig nach, indem er interpretierend und erklärend aus dem Englischen ins Deutsche überträgt, oder er mystifiziert gerne zusätzlich, weil es ihm nicht geheimnisvoll genug zu sein scheint, indem er bestimmte Begriffe gerade nicht übersetzt. Gut, dass es sich um eine zweisprachige Ausgabe handelt; so können die Leser selbst versuchen, z.B. die metaphorische Bedeutung der Begriffe Being oder Beauteous, zu erkunden, die in der deutschen Fassung des Gedichtes Nr. 8, Den Trug betreffend, lediglich kursiv gedruckt, nicht aber ins Deutsche übertragen sind. Die Sprache bleibt rituell, sakramental, poetisch, auch gerade da, wo es um eminent Irdisches geht: … der schwelende // Geruch eines verwesten Vogels im Gras, wie / die Spur eines Engels. Wie Süße immer / Ruin ist. Kein // Jenseits. Immer jetzt.

Diese 14 Texte sind also auf keinen Fall Apostasien für Anfänger. Aber sie zeugen von einer Art irdischen Offenbarung, von einer Alternative zum Religiös-mystischen, wenn die Leser sich auf sie einlassen.


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