Joachim Frank: Die Ernte der Seltenheit (6, 1, 3)
Montags=Text
Joachim Frank
Die Ernte der Seltenheit
6. Der Mann mit dem Erdnussbuttergehirn
Er hat einen stumpfen, ängstlichen Blick, die Angst wird nicht etwa durch
schnelle Augenbewegungen, sondern durch eine leichte Verformung der Gesichtszüge
ausgedrückt. Er
hat mindestens eine Warze im Gesicht, und die ist unbehaart. Die Gesichtsform ist rundlich, der Hinterkopf
flach. Andeutung einer Nackenfalte. Er spricht
knarrend, leckt sich dabei öfter die Lippen.
Dabei entsteht ein Geräusch, als ob ein Tropfen aus etwa fünfundzwanzig
Zentimeter Höhe in den Ausguss fällt.
Die Bewegungen sind heftig und wenig koordiniert, was bei dem völligen
Fehlen von Tastempfinden zu erwarten ist.
1. Änderungen zur Vision 5002
Statt des grünen
Affen habe eine Nussbaumvitrine dort zu stehen, wo sich in Vision 5001 der übergroße
Schlagring befand. Beim Durchschweben
des Raumes sei die Vagheit der damit verbundenen Empfindung mehr zu betonen. Der unsichtbare und unhörbare Chor solle sich
zumindest bewegen; wenn diese Forderung jedoch anderen zuwiderlaufe, sei er ganz
zu streichen. Der Kampf der Ratten habe
nunmehr im Hühnerhof stattzufinden. Der durch die Wolkendecke gestreckte
Zeigefinger sei durch einen Mittelfinger zu ersetzen. Der Donner sei gegenwärtig erheblich zu früh
angesetzt und solle mit dem allgemeinen Aufbruch der Zimmerleute synchronisiert
werden.
3. Versuch, die Größe eines Wasserbetts (Kingsize) zu beschreiben.
Ein Wasserbett, Größe
Kingsize, ist zum Beispiel größer als eine Wasserpumpe, bei weitem grösser als
ein Glasauge, jedoch kleiner als ein unterfränkischer Traktor, hat vielleicht
die Größe eines geeignet verformten Lamas; es ist größer als die
Sonntagsausgabe der Los Angeles Times, aber bei weitem kleiner als die
Tagesauflage der Süddeutschen Zeitung; es ist sehr, sehr klein, im Vergleich zu
einer Riesenwurstattrappe auf dem Oktoberfest, aber wiederum recht groß,
verglichen mit einem verkleinerten VW-Modell; man könnte glatt achtzehn kalifornische Hydranten quer legen und vier längs; man könnte es füllen mit den Daunen
eines mittleren oberbayrischen Hotels, die Kopfkissen ausgenommen, und es wäre
immer noch zu groß.
Joachim
Frank, geboren 1940, ist ein in den USA lebender, deutsch-amerikanischer
Naturwissenschaftler (Nobelpreis für Chemie 2017), Schriftsteller, Lyriker und
Fotograf. Seine Kurzgeschichten und Gedichte erschienen bisher auf
verschiedenen Internetplatt-formen, z.B. The New Poet, Offcourse, Raving Dove u.v.a.