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Jesse Thoor - Das Werk

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Das Werk

Gott hat mir Wissen gegeben. Nicht ich, der ich der "Ich" bin, weiß es, sondern Gott weiß es in mir.

Jakob Böhme


Am 25. November 2013 stellten Peter Hamm und Michael Lentz im Lyrik Kabinett das in Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Wüstenrot Stiftung im Wallstein Verlag neu herausgebrachte Werk Karl Höf(e)lers vor, der sich nach dem Propheten Jesaja und dem germanischen Gott des Donners das Pseudonym Jesse Thoor gab und aufgrund seiner Sonette - unter Lyrikbegeisterten - immer wieder Beachtung findet.

Thoor wurde 1905 in Berlin geboren, von Beruf war er Tischler, später Silberschmied, zeitlebens auf der Suche nach Gott, erzogen in einem bäuerlichen Katholizismus österreichischer Prägung, die zum Mystizismus neigt. Zugleich – ähnlich Jakob Böhme – heimatlos, gefühlsmäßig als Proletarier zum Kommunismus tendierend, ein Handwerker mit Stipendium (Franz Werfel war von seinen Gedichten überzeugt und besorgte es ihm), zugleich Sonette schreibend, 1933 auf der Flucht, erst nach Österreich, dann England. 1939 wurden von Thomas Mann sechs seiner Gedichte in „Maß und Wert“ herausgegeben, einer Zweimonatsschrift für deutsche Exilliteratur, was Thoor vorübergehend stolz machte, nun ein Schriftsteller zu sein. Doch in London misstrauisch bis zum Verfolgungswahn und dann auch (wahrscheinlich verraten von seinen alten Parteifreunden) nach Kriegsausbruch als Spion interniert, dann wieder freigelassen. Ein Arbeiterdichter ohne Klassenzugehörigkeit, ein Lebelang von Unruhe getrieben, Mystiker und weiser Narr, schon 1952 gestorben, nicht alt, durch Herzanfall.

Der Pate der Neuausgabe des Thoor’schen Werks, das auf der von Michael Hamburger 1965 herausgegeben Werkausgabe basiert, Michael Lentz, bezeichnete Thoors Gedichte als poetische Gebete, als Litanei-Sonette. Sakrales und Banales sehr eng beisammen. In London schon entstanden Sonette in Psalmenform. Die späten Gedichte schrieb Thoor dann nicht mehr in Sonettform.

Immer wieder lasen Lentz und Hamm

In einem Haus

In einem Haus, auf feinem Tannenreiser,
sitzen ein Bettelmann und ein Kaiser.
Beide summen und lachen und trinken
und reden laut und leise und winken.
Ein volles Jahr rollt über das Dach.
Ein volles Jahr rollt über das Dach.

KK


Jesse Thoor: Das Werk. Hg. auf Grundlage der von Michael Hamburger besorgten Edition und mit einem Essay von Michael Lentz. Göttingen (Wallstein Verlag) 2013. 468 S., 24,00 Euro.

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