Direkt zum Seiteninhalt

Jerome Rothenberg: Celan lesen: 1959, 1995

Memo/Essay > Aus dem Notizbuch > Essay
Jerome Rothenberg

Celan lesen:
1959, 1995

[Vortrag] beim internationalen Paul-Celan-Symposium,
Maison des Ecrivains, Paris, 1995

übersetzt von Günter Plessow


Paul Celan war für mich und andere der große Dichter dessen, was wir später den Holocaust nennen sollten. Ich war (glaube ich) der erste, der ihn ins Englische übersetzte (oder ihn in Übersetzungen vorstellte), und ich hatte das Glück, ihn in Paris zu treffen und mit ihm zu sprechen, drei Jahre vor seinem Tod. Als ich in den späten 1970ern dabei war, A Big Jewish Book zusammenzustellen (später hieß es mit den Worten von Edmond Jabès Exiled in the Word), setzte ich ein Gedicht Celans an den Schluss der Sammlung; und heute würde ich gern damit beginnen, als eine Art Entrée zu dem, was ich heute und bei meiner Lesung im Verlauf unserer Sitzungen über ihn sagen möchte. Er ist mir präsent gewesen, seit ich zum ersten Mal von ihm hörte und lange bevor ich selbst zu einer Art des Schreibens fand, die ich für viele Jahre zurückgestellt hatte, so sehr der Antrieb dazu auch mein Leben als Dichter von Anfang an bestimmt hatte. Damit möchte ich unterstreichen, dass Paul Celan für mich und viele andere der exemplarische Dichter war, weil er die Möglichkeit aufzeigte, dass so eine Dichtung nach wie vor geschrieben werden konnte – und dass sie in jedem Fall so geschrieben werden konnte, als sei es das erste Mal.

Celans Gedicht heißt Zürich, zum Storchen und ist Nelly Sachs gewidmet:

[Liest das Gedicht, es beginnt: „Vom Zuviel war die Rede, vom / Zuwenig. Von Du/ und Aber-Du, von / der Trübung durch Helles, von / Jüdischem, von/ deinem Gott. // Da-/ von.“ Und endet: „Wir / wissen ja nicht, weißt du, / wir / wissen ja nicht / was / gilt.“]

Mit Celan, einem Dichter der menschlichen – nicht allein der jüdischen – Katastrophe des zweiten Weltkriegs, möchte ich auf ein Thema oder eine Gegenwart Bezug nehmen, auf die mein eigenes Werk bis vor wenigen Jahren kaum je anspielte, jedoch als durchgängiger Subtext den meisten meiner Dichtungen und denen von vielen aus meiner Generation zugrunde lag. In einer Periode von knapp einem halben Dutzend Jahren (von 1939 bis l945), gab es mehr als vierzig Millionen staatlich verordneter Morde an Menschen und mindestens ebenso viele Leiden, Verstümmelungen und Folterungen: eine Katastrophe von fast unvorstellbarem Ausmaß und an sich nur ein Teil der Katastrophen und Flächenbrände des Jahrhunderts und Jahrtausends, aus denen wir uns heute erheben. Auschwitz und Hiroshima sind zu den beiden Ereignissen geworden, anhand derer wir darüber sprachen – Zeichen einer Ungeheuerlichkeit, die Mythos zu Geschichte gerinnen ließ, Metapher zu einer Tatsache. Der Schrecken dieser Ereignisse umfasste Hunderttausende vergleichbarer Katastrophen, verbunden mit einer anderen (wie wir allmählich begriffen) nicht zu unterscheidenden Gewalt gegen die Umwelt/die Erde und die Welt anderer Lebewesen. Um die Jahrhundertmitte hatte es den „Menschen“, wie es bei Charles Olson heißt, „reduziert auf kaum mehr als so viel Fett für Seife, Superphosphat für Böden, Füllungen und Schuhe zum Verkauf“, eine Ungeheuerlichkeit, durch die Sprache (für ihn eine unserer „stolzesten Taten“) ihrer Macht beraubt worden war, Antworten zu stiften, was eine Krise des Wortes (nein, der Realität) herbeiführte, für die wir eine Poetik erst finden müssen, wenn wir uns wieder über das Niveau eines Schreis erheben wollen oder eines Schweigens, das schrecklicher wäre als jeder Schrei.
    Die Bedingung, der Olson in den späten 1940ern seine Dichtung des „Widerstands“ entgegensetzte, war der allzu bekannte Boden von Auschwitz – in seiner deutlichsten Ausprägung: Buchenwald – und der Todeslager des zweiten Weltkriegs. Selbst heute, wo dieser Boden desinfiziert und in ein Museum verwandelt worden ist (mehr Museum als geweihter Ort), kann die Gegenwart der Ausstellungsstücke, Haar, Schuhe, Zahnprothesen, Brillen, Gebetsschals, Spielzeug, noch immer einen direkten, unbändigen Eindruck der Reduktion, der Entwürdigung vermitteln, den die moderne Welt zulässt. Als ich zum ersten Mal auf Paul Celans Dichtung stieß – 1957 oder 1958 – schienen Krieg und Holocaust (obwohl ich ihn so noch nicht nannte) zum Greifen nah zu sein. Ich kann mich nicht entsinnen, wie zentral das damals für meine Celan-Lektüre war, obwohl Todesfuge – das am offensten über die Todeslager spricht – eines der Gedichte war, die ich übersetzte. Doch ich möchte kein Missverständnis aufkommen lassen über diese anfängliche Hingezogenheit zu Celan, denn was mich schon vor 37 Jahren faszinierte, war nicht einfach seine Beziehung zum Holocaust als Thema, sondern dass ich in seinem Werk eine Wiederaufnahme von Energien und Gesten spürte, die der Krieg zur Seite geschoben, wenn nicht gar infrage gestellt hatte. Eine Wiederaufnahme und die Neuansätze – dort und anderswo – eines Wandels alter Motive und Haltungen (Surrealismus und Dada) in denen nun auch der Krieg, der Holocaust, eine Stimme finden konnte.
    Da wir 1959 hatten, stammten die meisten der von mir übersetzten Gedichte (als Teil einer kleinen Anthologie, die ich New Young German Poets nannte) aus Mohn und Gedächtnis und Von Schwelle zu Schwelle, in denen Angst und Terror, selten so offen wie in Todesfuge, mittels einer Musik liedhafter Rhythmen und quasi-formaler Wiederholungen vorgetragen wurden (für die Todesfuge nur ein Beispiel ist). Doch es war nur im letzten Gedicht, das ich übersetzte – Schneebett aus seinem (damals) neuen Buch Sprachgitter – dass die Sprache jene Erschütterung zu zeigen begann – jene Zersetzung und Neubindung der Sprache – die später zum Kennzeichen seines Werkes werden sollte. Schaue ich mir New Young German Poets erneut an, so sehe ich, dass Schneebett  gleich neben Helmut Heißenbüttels Kombination II steht, und entdecke (wie damals schon) an beiden (ich betone beiden) die Spuren einer bewussten experimentellen Dekonstruktion einfacher Verse und Sprache. (Ich benutze den Ausdruck Dekonstruktion mit Bedacht). Der erste Abschnitt von Heißenbüttels Gedicht besteht aus dem Wort Dunkles, das mit einem Bindestrich versehen in zwei Zeilen gebrochen wird, während die erste Zeile des zweiten Abschnitts, völlig in Versalien gesetzt, als ein zusammenhängendes Wort gelesen werden muss: NACHMITTAGSSCHLAFERINNERUNG. Beide Gesten werden vorschnell „einzig“ Celan zugeschrieben. Doch schon damals, als ich Heißenbüttel in meiner Einleitung als den „konsequentesten Experimentator“ der vorgestellten Dichter bezeichnete, schrieb ich in einer kurzen Anmerkung über Celan: „Paul Celan (geboren 1920, Czernowitz/Bukowina, Rumänien, derzeit in Paris lebend) gilt vielen als der größte Nachkriegsdichter Deutschlands, vielleicht Europas. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wuchs er fern der deutschen Welt auf, deren Sprache er teilte. Als Überlebender hat er diese Sprache transformiert und aus ihr ein einzigartiges persönliches Instrument gemacht, um eine Realität anzugreifen, die ihn verwundet hat, und die er trotzdem noch sehnsüchtig mit „Du“ anreden möche.“
    Wenn ich darauf zurückblicke, bei dieser Gelegenheit, frage ich mich, was ich mit Celans „Einzigartigkeit“ gemeint habe. Es wirkt, als wäre das Äußerste des Spätwerks, dessen spätere Ausformung (in extremis), wie er es sein Leben hindurch bis zu seinem Tod entwickeln sollte, bereits angedeutet. Und ich komme auf den Gedanken, dass Celans Werk von 1959 einzigartig zu nennen – hier gleich neben Heißenbüttels, mit dem es gewisse (nicht unbedingt unverwechselbare) Merkmale teilt – bereits dazu führt, ihm, wie ich es tat, etwas Persönliches (nur ihm eigenes) zu unterstellen – den Gebrauch einer Sprache (einer charakteristischen Sprache) als „einzigartiges persönliches Instrument“ (das kann ein Werkzeug sein, vielleicht sogar eine Waffe): die deutsche Stimme eines Juden, der den Holocaust unter deutscher Führung überlebt hatte und im Begriff war, der größte deutschsprachige Dichter nach, sagen wir, Rilke oder nach Hölderlin, zu werden.
    Zum Zeitpunkt, als ich Celan begegnete – im Jahr 1967 – war seine Reputation gewiss noch gewachsen, und sein Werk hatte das Äußerste einer Holocaust-Poetik erreicht. (Es sollte gleichwohl noch vier Jahre dauern, ehe der erste Band seiner Gedichte auf Englisch erschien.) Damals hatte sein Werk einen Entwicklungssprung gemacht durch den 1963 erschienenen Band Die Niemandsrose und die – in jenem Jahr 1967 – erschienene bahnbrechende Veröffentlichung Atemwende. Meine eigene Arbeit war stark an experimentellen Prozessen beteiligt – von Klang, Bild, Metapher, visueller Darstellung, einem verstärkten mündlichen Vortrag, ethnopoetischen Erforschungen einer Vielzahl menschlicher Vergangenheiten. Ich war mir außerdem meiner Zeitgenossen im Englischen deutlich bewusst, in geringerem Maße der seiner in Deutschland; und es schien mir, unter anderem, dass Celans jüngste Verse (wie im Gedicht, das ich zu Anfang las, und in Arbeiten mit solchen Titeln wie Atemwende und Atemkristall) der Poetik von Atem (und Körper), die der Keim für die neue amerikanische Poesie war, so nahe kamen, wie die irgendeines anderen europäischen Schriftstellers. In Celans Worten, die für uns damals so prägend waren und die wir hier in den Sitzungen wohl oft wiederholen werden: „Dichtung: das kann eine Atemwende bedeuten … [und] vielleicht gelingt es ihr hier, zwischen Fremd und Fremd zu unterscheiden.“ Und darüber hinaus, als Ruf nach einer neuen Poetik, um einer neuen Realität zu begegnen oder um unsere tiefsten Schichten (der Historie, des Denkens) freizuschürfen, zeigte er in seinem Werk das Modell einer Dichtung, die reduziert und komprimiert ist, unumgehbare „Schwierigkeiten des Vokabulars“ erforscht, eine „schneller fließende Syntax und einen wacheren Sinn für Auslassungen“, die gleichwohl („doch nur mittelbar“ wie er sagt) einhergehen mit der „starken Neigung des Gedichts zu Verstummen“.
    Er gehört in diesem Sinne zu jenen, die in der Postmoderne (nach dem Holocaust) die Innovationen der Moderne erkannten und erweiterten – nicht einfach als Teil ihrer formalen Praxis, sondern als Umwandlung dieser Praxis in einen Vorgang der Rettung/des Bergens, den die Verzweiflung des Dichters/Suchers antreibt. Wir alle haben das bis zu einem gewissen Grad, doch es gibt bestimmte Dichter – wie Celan, Artaud, Vallejo, Hölderlin – deren Leben (deren Leiden eher) das Werk heimsuchen und dadurch das menschliche Schicksal verarbeiten, das sich formal äußert. In Celans Fall – vielleicht nicht einzigartig, jedoch erstaunlich – scheint das Leiden so sehr mit dem „Holocaust“ verflochten, mit dieser äußersten Katastrophe eines Volkes und einer Kultur (jene äußerste Reduktion des Menschen, die Olsons Ruf nach einem Widerstand mittels Atem und Körper sowohl des Menschen als auch des Gedichts, provozierte) – das Leiden scheint so sehr mit dem „Holocaust“ verflochten, dass das zentrale Anliegen seines Werkes (das Streben nach einer Realität, die nicht bloß da ist, sondern aufgesucht und gewonnen werden muss) für ihn wie für uns lebendig wird: zum dramatischen Beispiel dessen, was die Revolution der Sprache/Revolution des Wortes in unserer Zeit bedeuten könnte. Sollte etwas davon im Werk von vielen mitschwingen, in seinem Werk und Leben wurde es zwangsläufig Wirklichkeit; denn was ihn abhebt, sogar in dieser Hinsicht, ist, dass die Sprache bis in die Grundfesten selbst erschüttert wurde – zerlegt und wieder neu zusammengesetzt auf eine Weise, die den Akt des Sprechens (für einen Augenblick) zu einem glaubhaften Akt der Erlösung macht. Es erinnert gewissermaßen an William Blakes Prophezeiung von vor fast zweihundert Jahren:

Folge du den Worten des Propheten
Alles, was zunichte werden kann, werde zunichte,
Auf dass die Kinder Jerusalems ledig werden der Sklaverei.    

Und noch wieder:

…Bis Generation verschlungen ist in Regeneration.

Es ist oft genug angemerkt worden, wie es sich bei Celan zeigt: ein Werk der Wiedergutmachung, ausgetragen als Kampf gegen den Schrecken, der alltäglichem Sprechen und Handeln innewohnt – genauer gesagt mit der Weise, wie die herrschende Sprache (Deutsch in diesem Fall) gestaltet und verunstaltet wird von denen, die der Dada-Dichter Richard Hülsenbeck „die Advokaten der Macht“ nannte und den „kreativen Kräften“ gegenüberstellte, die Dada freisetzen wollte. Angesichts dessen würde ich sagen, sollte Celans Kampf mit der Sprache – es ist auch der unsrige – weniger als Malaise als vielmehr als gesunde, völlig gesunde Anstrengung aufgefasst werden, etwas abzuschaffen, das ein anderer Dada-Dichter, Hugo Ball, mitten im ersten Weltkrieg den „Schmutz“ genannt hat, der an der „vermaledeiten Sprache klebt“, und durch diesen poetischen Akt – wieder zitiere ich Ball – „auf die Sprache zu verzichten“. Über die Verwirklichung dieser tiefgreifenden Avantgarde-Tendenz in Celans Werk und Leben (und über ihrer Beziehung speziell zur deutschen Sprache) hat unser amerikanischer Kollege Jed Rasula geschrieben:

Sehr wenige Schriftsteller haben der Sprache ihrer Gedichte zugestanden, hilflos zu sein, geschrieben zu werden unter der Bedingung eines abrupten syntaktischen Verfalls, dem absichtlich beigewohnt wird. Die große Schwierigkeit – und das macht ihn so exemplarisch für nachfolgende Dichter – besteht darin, seine Arbeit an einem Material zu verrichten, das sich auflöst, je weiter der Dichter sie vorantreibt … Mit Celan wird die deutsche Sprache selbst zum Mittel ihrer Entkörperlichung. Unter seinen Händen geht die Sprache mehr und mehr in Rauch auf. Soweit ich weiß, gibt es nichts Vergleichbares in irgendeiner anderen Sprache.

Eine Sprache, die in Rauch aufgeht, ist auf symptomatische Weise natürlich eine Sprache „nach Auschwitz“ – nach den Todeslagern und Krematorien und Feuertoden des zweiten Weltkriegs. Als Dichtung – als Behauptung, ein solcher Akt der Sprache sei nur als Dichtung möglich – ist es eine Zurückweisung oder radikale bzw. ironische Uminterpretation von Adornos Äußerung über die Barbarei oder Immoralität, nach Auschwitz Lyrik zu schreiben. Mit seinem Werk und seinem Leben bildet Celan ein leuchtendes Vorbild für jeden von uns, die im Gedicht eine Form des Widerstands gesucht haben – eine notwendige Gegen-Sprache zu den anderen Sprachen – den Sprachen der Gewalt. Ich möchte daher diese Würdigung Celans mit einem eigenen Gedicht beenden, in dem ich die Frage nach einer Dichtung nach Auschwitz anspreche. 1970 widmete ich ihm die erste Folge einer Serie von Gedichten, genannt Polen/1931, in welchen ich ein imaginäres Polen der Vorfahren beschwor, einen Ort, aus dem meine  jüdischen Eltern stammten und wo ihre Eltern und Ureltern vor ihnen gelebt hatten – soweit wie wir uns rückbesinnen können. Fast zwanzig Jahre später fuhr ich zum ersten Mal nach Polen und wurde heimgesucht von den Geistern jenes Ortes und getrieben zu einer Dichtung, die – in meinen eigenen Worten – davon sprach, was wir in unserer Familie nicht „Holocaust“, sondern (mit einem gebräuchlichen Wort aus dem Jiddischen) khurbn genannt hatten. In dem Gedicht, das ich lesen werde, spreche ich die Geister der Toten als dibbikim/dibbiks an: jene in die Zehntausende gehenden, die vor ihrer Zeit gestorben waren. Und im selben Atem beschwöre ich Adornos berühmte Worte über Auschwitz.


[liest Dibbikim]

geister der toten      lichter
flackernd (sagte er) ihre ruakh
werden nie die erde verlassen
vielmehr drängen sie in die wälder die felder
ringsum die abtritte die glücklosen geister
warten millionen von seelen
in gespenstern gewandelt im nu
die luft ist voll von ihnen
sie stehen ein jeder neben einem baum
in seinem schatten oder des mondes
doch sie werfen selber keine schatten
diesen moment & den nächsten geben sie vor
steine zu sein      doch wer ist genarrt
wer ist genarrt hier     von den toten     den juden
den zigeunern     den bleiäugigen polnischen patrioten
lebenden wesen reduziert zu symbolen dessen
was es gewesen war am leben zu sein
‘O rühr sie nicht an’ ruft die muttter
unruhig als sei sie im traum
zieht sie die hand des kindes ans herz
in angst      doch die unschuldigen toten
werden wütend sie brechen türen nieder
tropfen euch schlick auf die tische
reißen ihre zungen heraus an der wurzel
& und beschmieren eure lampen eurer kinder lippen
mit blut ein loch in die wand gebohrt
wird sie nicht abschrecken
von gestohlenen heimstätten steinarchitekturen
sie hassen sie sind die konvois der toten
die gespensterfahrer suchen noch
die straßen nach malkin     gespensterkarren umgestüzt
gespensterautos in blauen straßengräben
wären doch unsere augen nur wild genug
sie zu sehen unsere herzen ihre angst zu kennen
die angst des mannes der allein geht
ihre opfer deren haus deren haut
in die sie kriechen     incubus & succubus
ein dibbik springt von einer kuh um sie in
seine kehle zu stecken      juden zuhauf
die hier schwärmen mütter ohne haar
schwarzbärtige väter
sie schlingen feuer     wasser     schleim
verwickeln sich ins haar der bräute
oder trauern ihre kleider schweben
über einem feld aus fetzen    halb verrottete schuhe
& tischtücher     alte thermosflaschen     ringe
verlorene sippen in leeren synagogen
nachts ihre stimmen
tragen über die Felder
verrotten zu lassen eure kasha eure gerste
heimgesucht unter saurem regen
kein holocaust weil kein opfer
kein opfer der lüge zu bezichtigen
den sinn      & kein sinn      nach auschwitz
da ist nur poesie     keine hoffnung
keine andere sprache mehr da zu heilen
keine sprache     & keine gesichter
weil keine mehr da      keine namen
kein plötzliches wiedererkennen auf der straße
nur tote die schwärme      nur khurbn
ein toter in eines rabbi kleidern
der schwatzt     draußen vor dem leichenhaus
der ihre abtritte bewacht der
meister des shit heißt     dem eine alte alarmglocke
am hals hängt     der unter die nase
einen blätterkranz hält
aus eden      auszutreiben
den gestank dieser welt

                                                                                                                                  
Zurück zum Seiteninhalt