Jan Sojka: Fünf Gedichte
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Jan Sojka
Fünf Gedichte
Aus dem Tschechischen
von Patrik Valouch
Es soll ein Baum existieren
der keinen Schatten wirft
und dem die Nacht entwächst
der keinen Schatten wirft
und dem die Nacht entwächst
Entsagst du drei Jahren
vom Rest deines Lebens
darfst du in seine Krone klettern
und eintreten
vom Rest deines Lebens
darfst du in seine Krone klettern
und eintreten
Dann bist du drei Tage lang
ein Sonnenkind
ein Sonnenkind
Setz dich, wir haben Zeit,
die Klavierstunde wird verschoben
die Klavierstunde wird verschoben
ich bereite dir ein Drink aus starker Insomnia
und erneut bekennen wir einander
was wir längst bekannt haben
und erneut bekennen wir einander
was wir längst bekannt haben
vielleicht erwachen wir eher
als wir einschlafen
und satteln endlich die Pferde
die uns nicht mehr abschütteln
als wir einschlafen
und satteln endlich die Pferde
die uns nicht mehr abschütteln
vielleicht bleiben wir für immer wach
und verschlafen alles
und verschlafen alles
auch den Nachthimmel
diese schwarze Tierherde
mit leuchtenden Augen
diese schwarze Tierherde
mit leuchtenden Augen
Ein jäher Nachtrutsch
nimmt mich gefangen
nimmt mich gefangen
Ich werde vom Haus gestützt
das Augenlicht ist abgefeuert
doch das Ziel antwortet nicht
das Augenlicht ist abgefeuert
doch das Ziel antwortet nicht
Das macht nichts
ich bin irgendein Traum
ich bin irgendein Traum
Wenn du mir die Hand reichst,
dann zieh an ihr
dann zieh an ihr
sonst ziehe ich dich an mich
Der Tod ist eine Nabelschnur
die man nicht abschneiden kann
die man nicht abschneiden kann
Scheuer Fisch, heb deinen Kopf
und sag mir,
aus welcher Ohnmacht du mich betrachtest?
und sag mir,
aus welcher Ohnmacht du mich betrachtest?
Die Ringe unter deinen Augen
maskieren ihren Ursprung
maskieren ihren Ursprung
Wenn du einschläfst,
klafft der Mond tief,
tief über dir
klafft der Mond tief,
tief über dir
tritt blind ein
taste dich vor
taste dich vor
den ersten Teil baute dein Vater
den zweiten deine Mutter
den dritten du selbst
lange noch vor der Geburt
den zweiten deine Mutter
den dritten du selbst
lange noch vor der Geburt
wenn du durchs ganze Labyrinth schreitest,
öffnen sich deine Augen von allein
öffnen sich deine Augen von allein
und du erblickst dich selbst:
du liegst im Gras
und der Mond gleitet aus deinem Mund
du liegst im Gras
und der Mond gleitet aus deinem Mund
Jan Sojka (*1973,
Pilsen) ist ein tschechischer Lyriker, Prosaiker, Dramatiker und
Real-schullehrer. Nebstbei ist er einer der Gründer des „Anti-Theaters“ und war
lange Zeit als „Anti-Schauspieler“ tätig; diese Theaterform forciert einen schwarzen,
oftmals auch provo-kativen Humor, der mit den geltenden sozialen Normen spielt
und sie dekonstruiert. Seine Lyrik, oft intim, sparsam und leichtfüßig,
verhandelt existentielle Problemstellungen des Menschseins. Die Familie ist
oftmals der Ausgangspunkt seiner Gedichte: flüchtige, un-scheinbare Details
entzünden philosophische Meditationen, die teils einen reflexiven, teils einen
kosmogenen Charakter annehmen. Die Auswahl der vorliegenden Gedichte stammt aus
Sojkas vorletztem Gedichtband Sesuv noci (2019, Nachtrutsch).
Der Übersetzer dankt Klaus
Anders für die kritische Durchsicht.
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