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Jan Kuhlbrodt: Pasolini zum 100.

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Jan Kuhlbrodt

Pasolini zum 100.


Pier Paolo Pasolini grundiert die europäische Kunst-, Literatur ind Filmgeschichte der letzten 100 Jahre, oder zumindest der letzten ca. 80.
        Er begann als ca. Zwanzigjähiger im Friaul, Gedichte zu schreiben, noch als Lehrer, und schrieb bis zu seinem Tod, seiner Ermordung am 2. November 1975 Gedichte. Er begann mit Texten im friaulschen Dialekt, arbeitete sich aus dem Faschismus seiner Umgebung heraus und am Faschismus seines Vaters ab. Diese Gedichte liegen in einer zweisprachigen Ausgabe bei Urs Engeler vor unter dem Titel „Dunckler Enthusiasmo“: Die friaulschen Texte hat Christian Filips in eine an das Mittelhochdeutsche gemahnende Sprachform übersetzt und somit eine an das Archaische gemahnende Übersetzung gewählt.
    Das griechische Wort arché hat zumindest zwei Bedeutung. Einerseits Anfang und andererseits Prinzip. Beides ist in Pasolinis Werk zu verfolgen.
         Gedichte waren das Samenkorn einer atemlosen überbordenden künstlerischen Produktion, die daraus hervorquoll. Aus den Gedichten erwuchsen Erzählungen, Romane, Drehbücher, Filme, aber auch Essays, Kolumnen, politische Publizistik.

Seinen mittleren Lebensabschnitt, wenn man eine derartige Einteilung sucht, findet man zum Beispiel in dem seinerzeit bei Piper erschienenen Gedichtband „Gramscis Asche“ dokumentiert, und darin sein ambivalentes Verhältnis von kommunistisch imaginierter Zu- und katholischer Herkunft.

Pasolini sah in seiner Gegenwart eine Art Kipppunkt der abendländischen Geschichte. Alles Eigensinnige, Archaische würde von dem gleichmachenden Zugriff einer amerikanisch geprägten imperialen Kultur überrollt werden. Und in diesem Prozess würden auch die emanzipatorischen Elemente das Vergangenen verschwinden.

Pasolini sah aber nicht das Paradies verschwinden, denn er wußte auch um das Barbarische der Vergangenheit. Dennoch lagen darin, im Archaischen, eben auch die dort zaghaft sich zeigenden widerständischen Momente.

Bei Suhrkamp ist nun ein umfangreicher Band mit späten Gedichten erschienen. „Nach meinem Tod zu veröffentlichen“. Herausgegeben und übersetzt wurden sie von Theresia Prammer. Es handelt sich um zum Teil längere Dichtungen, die man durchaus als eine Art Tagebuch und Vermächtnis lesen kann und die zuweilen eine ungefilterte Lebensgier aufscheinen lassen.


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