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Jakub Stachowiak: Vier Gedichte

Werkstatt/Reihen > Reihen > Wortlaut Island
Jakub Stachowiak

Vier Gedichte
 
Aus: úti bíður skáldleg veröld / draußen wartet eine lyrische welt, Páskaeyan, Reykjavík 2022

Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer



die zollbeamten von gestern

wir die wir uns
die welt haben entgehen lassen

weder nach dem himmel
schauten noch
nach den würmern
in der erde

die heißesten küsse
verpassten
und die zuflucht suchende
umarmung

wir blicken auf
erblicken eine durchsichtige hand
die uns zuwinkt
von einem balkon der düsterkeit



düsternis

heutzutage kommt die nacht sofort
statt zu ergrauen
dunkelheit dann schwarz

nachtschwärmer nirgendwo
und überall

dann mache ich mich auf

spüre den geruch von metall
um handgelenk und knöchel

schleppe mich vorwärts
ein bisschen seltsam
lieb zu fliegen



in cafés

das gebrumme ist verstummt
in der kristallkugel der wahrsagerin
weder flüche noch klagen

nur ein hofdichter bei einer spirituellen
sprachrehabilitation

optimiert bilder
die niemand sehen kann  



aus der tiefe

über helldunkel
weiß ich nicht viel

aus ihren fragilen
teilchen

sind mäntel genäht
in die sich verstorbene kleiden

wenn

sie zu uns herüberschauen
noch manierlich fein
mit einem monopol auf trauer


Jakub Stachowiak, geboren 1991 in Polen, lebt seit 2016 in Reykjavík; er studiert Krea-tives Schreiben an der Universität von Island und ist als Postbote sowie bereits als Schriftsteller tätig. Nach ersten Gedichten in Zeitschriften wie Tímarit Máls og menningar / Zeitschrift Sprache und Kultur sowie in der Anthologie Pólífónía af erlendum uppruna / Eine Polyphonie fremden Ursprungs, einer Sammlung von Gedichten ausländischer Dichter, die in Island leben, veröffentlichte er 2021 einen ersten, mit einem Förderstipendium bedachten Gedichtband:  Næturborgir / Nächtliche Städte. Ein Jahr später erschien bereits sein zweiter Gedichtband in isländischer Sprache, úti bíður skáldleg veröld / draußen wartet eine lyrische welt.
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