Jakub Stachowiak: Drei Gedichte
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Jakub Stachowiak
Drei Gedichte
Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer
GETRÄUMT IN DER TAGUNDNACHTGLEICHE
im sprühregengleichen
Septembernebel
gehe ich auf Zehenspitzen
störe nicht die Stille
und für längere Zeit
hört man nichts
bis die Stille so tief wird
dass ich das Schnarchen
eines Sargmachers höre
aus dem Haus nur wenig entfernt
ich folge ihm bis ich
zu einem merkwürdigen Friedhof komme
statt Grabsteine
schauen dort Geweihe von blinden
Damhirschen aus der Erde hervor
ABENDGEDICHT
Wie war der Flug frage ich
Hast du Freundschaft mit einigen Vögeln geschlossen
Oder hast du überraschend die Staatsbürgerschaft
Im Paradies bekommen unschuldig wie du bist
Du öffnest den Mund sagst es sei wie
In einem Kahn in einen Gletscher eingefroren zu werden
Und dann habe der Mond auf
Zündung geschaltet
Und die totenblassen Strahlen das Eis geschmolzen
Sagst du und verschluckst dich fast an den Wörtern
Doch sie kleben an deinem Hawaihemd fest
In einer unvergleichlich drückenden Hitze der Nacht
Und doch ist es nicht ganz dunkel
Da nach dem Flug alle Erleuchtung
In deinen Augen strahlt
Alle Möglichkeiten die
Gegeben
sind in diesem Verb
Fliegen
POESIEKARTE
Hast du die Sterne über København gesehen
Fragt
mich eine Verkäuferin im Laden
Wie sie glitzern und schimmern
åh
Astronomen
und Dichter behaupten sie
Seien
die schönsten auf der Welt
Ich
sage nein leider ist jede
Nacht
hier bewölkt gewesen
Da
schüttelt sie den Kopf die Wolken
Über
der Stadt sind nur Einbildung
Sieh
genauer hin höre besser zu
Sogar
der Regen ist kein Regen
sondern
Engelstränenmusik
Du
musst nur deine Seelenstärke nutzen
Und
sie verschwinden alle
Jakub Stachowiak, geboren 1991 in Polen, lebt
in Reykjavík; er studiert Kreatives Schreiben an der Universität von Island und
ist als Postbote sowie bereits als Schriftsteller tätig. Nach ersten Gedichten
in Zeitschriften wie Tímarit Máls og menningar u.a. sowie in der
Anthologie Pólífónía af
erlendum uppruna, einer Sammlung von Gedichten auslän-discher Dichter, die in Island leben, veröffentlichte
er 2021 einen ersten, mit einem Förderstipendium bedachten Gedichtband: Næturborgir
/ Nächtliche Städte.
Für
das hier veröffentlichte Gedicht Dreymt á jafndægurnótt / Geträumt in der
Tagundnacht-gleiche wurde
er im Februar 2022 beim Poesiewettbewerb Ljóðastafur Jóns úr Vör / Poesie-stab Jón úr Vör, benannt nach dem isländischen Bibliothekar und Dichter
Jón úr Vör (1917 – 2000), mit dem 2. Platz ausgezeichnet.