IntroVersIon - Lyrik aus Lettland: Māris Salējs
Werkstatt/Reihen > Reihen > IntroVersion
Reihenfoto: © Inga Pizāne, Autorenfoto: © Gosia
Kawka-Piotrowska
IntroVersIon
Lyrik aus Lettland
Māris Salējs
Übersetzt von Astrid Nischkauer und Kalle Aldis Laar
***
dzirkstele izkoda drēbi
tika līdz miesai. un sadzēla ādu
ēnā pie manis tikko manāma drebi
un neteic par sevi ne vārda
sarkana asins zem ādas
sarkana nosūrst saule
aizlijusi aiz zemes tumšajā krēslas sālī
atnāksi atkal pie manis pēc gada
tikko būs nopļauti dzelteni vāli
tikko būs noarti melni līdz elkonim
lauki
un izkosti sarkani pēdējie pamales meži
atnāksi. nāve stāvēs
kā nolēmēta un netiks uz priekšu ne soli
palekdamies aizvien tuvāk pa salušo
lielceļu dunēs
tavas kājas nejauši aizķertais olis
ein
Funken fraß sich durch Kleidung
kam
bis zum Fleisch. und stach die Haut
neben
mir im Schatten kaum wahrnehmbar zitterst du
und
sagst kein Wort über dich
rotes
Blut unter der Haut
rot
brennt die Sonne herab
vergossen
hinter der Erde ins Salz der dunklen Dämmerung
du
wirst wieder zu mir kommen in einem Jahr
sobald
die gelben Heuschwaden gemäht sind
sobald
die Felder schwarz bis zum Ellenbogen gepflügt
und
die letzten Wälder am Horizont rot ausgebissen sind
du
wirst kommen. der Tod wird wie erstarrt
stehenbleiben
und keinen Schritt vorwärtskommen
immer
näher über die gefrorene Autobahn hüpft
ein
Kiesel den deine Füße zufällig streiften
***
kritušo ābolu smarža.
tev vēl bija tavs vārds
tagad kad naži vāžas
pār visu kas sulīgs un gards
kritušo valodu smaržā
neviļus atmirgo vārs
atguvis bērnības balsi
vēlās vasaras gals…
savādi. visam par spīti
dzīvība tomēr nes
projām to puteklīti
kurā dzīvojam mēs
sulīgās smaržas skarti
kritušo pasauļu smārds
ir tikai citi vārti
citādi izteikts vārds
der Duft gefallener Äpfel.
du hattest immer noch deinen Namen
jetzt da die Messer aufklappen
über allem was saftig und köstlich
im Duft gefallener Sprachen
schimmert unwillkürlich das fragile
die Stimme der Kindheit wiedererlangte
Ende des Spätsommers …
seltsam. trotz allem
trägt das Leben dennoch
das Staubkörnchen fort
in dem wir leben
berührt vom saftigen Duft
der Geruch gefallener Welten
ist nur ein anderes Tor
ein anders ausgesprochenes Wort
***
dzimtene smaržo. apakšā nebūtība. augšā
gaiss
rēns nolūks kavējas meža melnajā strīpā
pārvērsties par ko milzumsazarotu
nodegsi. nodegsi. o pamale pilna
ogļainām sāpēm
rīta sākums. saules paugurs laužas no
apvāršņa klēpja
un viss ko tu slēpi ir aizgājis
atklāties klajā dienas grēksūdzē
pāri ceļam skrien radības. zaķi krupji
un ķirzakas
un kaut kas sīkāks: tava sirds tur lec
un peras pa peļķēm
kamēr tiek atpakaļ krūtīs
tāpat logs dabū atpakaļ rūtis
tāpat ābele dabū atpakaļ visus ābolus
un majestātiski nosmaržo liepas savus ačgārni
plaukstošos ziedus
lai pastāv uz vietas. lai dodas uz
priekšu
mutuļot jaunus notikumus
meine Heimat duftet. unten das Nichts. oben Luft
eine ruhige Absicht verspätet sich im dunklen Waldstreifen
verwandelt sich in etwas Kolossalverzweigtes
du wirst verbrennen. du wirst verbrennen. ach Horizont voll verkohlter Schmerzen
der Tagesanbruch. der Hügel der Sonne drängt aus dem Schoß des Horizonts
und alles was du verstecktest offenbarte sich in der Beichte des hellen Tages
Kreaturen laufen über die Straße. Hasen Kröten und Eidechsen
und etwas Winzigeres: dein Herz hüpft und zappelt dort in Pfützen
bis es in deine Brust zurückkehrt
genau so bekommt ein Fenster sein Glas zurück
genau so bekommt ein Apfelbaum all seine Äpfel zurück
und riechen Linden majestätisch an ihren betrügerisch sprießenden Blüten
lass es stillstehen. lass es vorangehen
neue Ereignisse aufwirbeln
smieklīgi maza pasaule. visu laiku slīd
laukā
no plaukstas. ar mutautiņu
slauku asarojošās acis un prasu
vai kādam nav lupas. nē nav
bet ar pēdējo aifonu varot
nofotografēt pat skudru.
lietusmērkaķi kokos pēta ko es
darīšu tālāk. paslēpju plaukstu
aiz muguras un palaižu
pasauli vaļā. tā plivinādama
sīkos spārniņus aizlaižas.
pēc piecām minūtēm sāksies negaiss
lächerlich
ist die kleine Welt. immer rutscht sie mir
aus
der Hand. mit einem Taschentuch
trockne
ich meine feuchten Augen und frage
ob
jemand eine Lupe hat. nein haben sie nicht
aber
mit dem neuesten I-Phone
kannst
du sogar eine Ameise fotografieren.
Regenaffen
in den Bäumen beobachten was ich
als
nächstes tun werde. ich verstecke meine Hände
hinter
dem Rücken und lasse
die
Welt los. flatternd mit ihren winzigen
Flügeln
fliegt sie davon.
in
fünf Minuten geht ein Gewitter los
***
nekādā ziņā mani neviens nepārsteigs ar zvaigzni
vari mani aiznest kā lapu uz savas upes muguras
vari mani notraukt kā knisli no sadzeltā
vaiga
vari ar mani darīt ko gribi. šai tumsā
un gaismā
mērcētā
laikā
bet es palikšu pie sava. aizmidzis.
piecēlies. izmisis
meklēdams pēdējo kreklu. klepodams
mazu lāsīšu pulkus. tev uz pleca. tev uz
plaksta
o dzīve
es esmu atzinies ka tas tomēr ir skaisti
ka mani tomēr neviens nepārsteigs ar
zvaigzni
un tajā pat nav nekāda baisuma. korī
kurā reiz sāku dziedāt skaidri un gaiši
no visām partitūrām pil viens:
es tevi mīlu
keinesfalls
wird mich jemand mit einem Stern überraschen
du
kannst mich wie ein Blatt auf dem Rücken deines Flusses forttragen
du
kannst mich wie eine Mücke von der zerstochenen Wange scheuchen
du
kannst mit mir machen was du willst. in dieser in Dunkelheit und Licht
getauchten Zeit
aber
ich werde bei mir bleiben. im Schlaf. wach. verzweifelt
nach
meinem letzten Hemd suchend. Wolken
kleiner
Tröpfchen hustend. auf deine Schulter. auf dein Augenlid
ach Leben
ich
bekannte endlich dass es doch schön ist
dass
mich doch niemand mit einem Stern überraschen wird
und
das kein Grund zur Furcht ist. im Chor
in
dem ich einst zu singen begann tropft
klar
und hell von jeder Partitur nur eins:
ich
liebe dich
Māris
Salējs (geboren als Marians Rižijs, 1971) ist ein Lettischer
Dichter, Übersetzer, Kritiker und Literaturwissenschaftler. Er übersetzt aus
dem Polnischen, Urkainischen, Bela-russischen und Russischen. Von 1999 bis 2005 war
Salējs Redakteur bei der Literatur-zeitschrift Luna. Er arbeitete als Bibliothekar an der Universität Lettland und
der Kulturakademie in Riga, und wirkte bei zahlreichen Literaturplattformen als
Autor und Redakteur mit. Verfasser von fünf Gedichtbänden. 1994 begann er zu
veröffentlichen, aber sein erster Band, Māmiņ
es redzeju dziesmu/Mama ich sah ein Lied, der sowohl Gedichte als auch
Übersetzungen aus dem Polnischen enthielt, erschien 1999. 2001 folgte seine
zweite, preisgekrönte Sammlung Mana
politika/Meine Politik. Sein vierter Band Wie vor dem Sturm (2016), erhielt den Ojārs Vācietis Preis. Als
produktiver Kritiker und Rezensent ist Salējs auch der Verfasser zahlreicher
wissenschaftlicher Aufsätze und ausführlicher Analysen zu einigen bekannten
Lettischen Dichtern wie Uldis Bērziņš, Janis Rokpelnis, Hermanis Marģers
Majevskis und Knuts Skujenieks. Er nimmt regelmäßig an Konferenzen und Lesungen
teil, die sich mit Literatur, Sprache und Übersetzung befassen, und ist
Herausgeber von weiteren renommierten Lettischen Dichtern.