IntroVersIon - Lyrik aus Lettland: Anita Mileika
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Fotos: © Inga Pizāne, Anita Mileika
IntroVersIon
Lyrik aus Lettland
Anita Mileika
Übersetzt von Astrid Nischkauer und Kalle Aldis Laar
mostas vasaras pēdējā
diena
līst tik samtaini
kā vēl
nekad
es izmetu apli gar upi
tur pusmūža kaija ēd
savu lolotu cietu laimi
grauž un skatiens kā
aronija tumšs
arvien dziļāk iesūcas
nespēks
bet tik samtaini līst
kā
nekad
der letzte Tag des Sommers erwacht
es regnet so samten
wie noch
nie
ich schlendere den Fluss entlang
wo eine Möwe mittleren Alters frisst
sie nagt an ihrem geschätzten harten Glück
und ihr Blick gleicht
einer dunklen Apfelbeere
die Schwäche nistet sich immer tiefer ein
aber es regnet so samten
wie
nie
skaties
vakars ir aprimis
tumsa saplūst ar mums
un ko tu teiksi man mīļā
ja šī dzīve man būs
šķēle kauna vai
gliemežvāks krastā
o šis mūžīgais
gliemežvāks krastā!
skaties
tumsa kā medus skaista
skaties skaties ne miņas
no zvaigznēm
tikai dzīve
drostaliņa maiga
caur manis paša aci
lūr
schau
der Abend ist still geworden
wir lösen uns auf in der Dunkelheit
und was wirst du mir sagen Liebes
wenn dieses Leben mir
eine Scheibe Scham oder eine Muschelschale am Strand sein
wird
ach diese ewigen Muscheln am Strand!
schau
die Dunkelheit ist schön wie Honig
schau doch schau keine Spur von Sternen
nur das Leben
ein zarter kleiner Schatz
späht durch mein eigenes
Auge
koka laiva ziediem pilna
klaiņo
liedagā kur nakts savu
tumšo šalli ada
kavēdamās atmiņās
ak cik bij skaista seja
tava
kā sāļa maiga olīva
vēl pirms vecums iekšā
lēja
savas dzelmes konjaku
un es nespēju liktenim
piedot
šīs tinktūras aso smaku
kuras dēļ miegs tev nenāk
kuras dēļ miesa
sadeg
ein hölzernes Schiff voller Blüten
streift
den Strand entlang wo die Nacht
ihren dunklen Schal strickt
gedankenversunken
oh wie schön dein Antlitz war
wie eine weiche salzige Olive
noch bevor das Alter
den Cognac
seiner Untiefen hineingoss
und nicht vergeben kann ich dem Schicksal
den bitteren Geschmack dieser Tinktur
weswegen du keinen Schlaf findest
weswegen der Leib
verbrennt
vējš tevi
uz priekšu
dzen
tu kļūsti
par kino
kadru
vai kļūsti
par putnu
kadrā
ko vējš
uz priekšu
dzen
tā kļuva
augusts par sapni
pagalam vientuļu
sapni
var nosaukt
to arī par plecu
no kura
novērsās
saule
der Wind
treibt dich
voran
du wirst
eine Film
Szene
oder ein Vogel
in einer
Szene
den der Wind
voran
treibt
so wurde
der August zu einem Traum
einem vollkommen einsamen
Traum
du könntest ihn auch
als Schulter bezeichnen
von der die Sonne
sich
abwendet
ziņas par gadalaikiem
piekrastes apsnigušās
aļģes
tu rītausma uziesi pirmā
un atsauksi atmiņā mirkli
kad pasaule dzīvoja
dzelmē
un gadalaiku nebija
vispār
Nachrichten von den Jahreszeiten
schneebedeckte Algen am Ufer
du Morgengrauen wirst als erstes aufsteigen
und dich an den Moment erinnern
als die Welt in der Tiefe wohnte
und es sowieso keine Jahreszeiten
gab
Anita Mileika (1987) ist eine Dichterin, die
auf Lettisch und auf Lettgallisch schreibt. Mileikas erster Gedichtband, Das ewig arme Reh (Latgolys Studentu
Centrs, 2015), der Gedichte auf Lettisch und Lettgallisch enthält, erregte
so-wohl bei Lesern und Leserinnen des Lettischen als auch bei denen des
Lettgallischen großes Aufsehen – er war
auf der Shortlist des 2015 Annual Latvian
Literature Award für das beste Debut, und erhielt 2015 den Boņuks Award der höchsten Leistung
Lettgallischer Literatur.
