Humberto Quino Márquez: Drei Gedichte
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Humberto Quino:
Drei Gedichte
aus "Jemand anders sein und es nicht wissen / Como ser otro y no saberlo"
Aus dem bolivianischen Spanisch von Michael Ebmeyer.
PÁGINA BLANCA (2011)
Madre cocaína
Rescátame de esta vida cantinela:
Nacer / Vivir a medias / Morir cualquier día.
Esconde mis negras alas
Y esas visiones que pulverizan mis ojos.
Esos hilos que me unen al silencio
Resuenan en mi cráneo.
Una serpiente silba en mis oídos
Y muerde mi cabeza rapada.
Insectos seductores encienden una luz lila
Sus plegarias desmienten mis certezas.
Camino del terror a la belleza de la niebla
Donde me dejo morir
Entre todas las cosas que odio.
Un cansancio sin nombre me corroe
Pájaro tatuado en lo oscuro
Corazón asido a su vacío.
Y cada instante es una prenda de la muerte
Y tejo con él la miseria perdurable.
Es mi cuerpo mutilado
Todo de nadas acumulado
Resbalando hacia su abismo.
Madre del réprobo
Devuélveme al útero primigenio
A esa urdimbre de ternura
A ese despertar sin pesadillas
Y destroza este enfado maligno
Contra el mundo.
WEISSES BLATT
Mutter Kokain
erlöse mich von diesem
leierhaften Leben:
Geboren werden / halbwegs sein
/ sterben irgendeines Tages.
Verbirg meine schwarzen Flügel
und die Anblicke, die mir die
Augen zerreiben.
Die Fäden, die mich mit der
Stille vereinen
dröhnen in meinem Schädel.
Eine Schlange zischt mir in den
Ohren
und beißt mir in den
geschorenen Kopf.
Verführerische Insekten
entzünden ein fliederfarbenes Licht
ihre Gebete widerlegen meine
Gewissheiten.
Ich schreite vom Schrecken in
die Schönheit des Nebels
wo ich mir zu sterben erlaube
zwischen all den Dingen, die
ich hasse.
Eine namenlose Müdigkeit
zernagt mich
Vogel, im Dunkeln tätowiert
Herz, an seine Leere
geklammert.
Und jeder Moment ist ein Pfand
des Todes
und damit bedecke ich das
fortwährende Elend.
Mein verstümmelter Körper
besteht
zur Gänze aus angehäuftem
Nichts
das seinem Abgrund entgegen
gleitet.
Mutter des Verdammten
übergib mich wieder dem Uterus
jenem Gewebe aus Zärtlichkeit
jenem Erwachen ohne Alpträume
und zerstöre diesen bösartigen
Abscheu
gegen die Welt.
LA INUTILIDAD DE
ESTE OFICIO
Miro a esta
Fiera de fuego
Que muere en mi
garganta.
Máscara de agonía
Que rasga mi piel
Eco desvelado de los
cementerios.
Giran las palabras
Con su pulpa de
baratijas
Sentidos falaces
Y esta aureola
De niño perdido
En la esponja del
tiempo.
(2020)
DIE NUTZLOSIGKEIT
DIESES DIENSTES
Ich betrachte diese
Feuerbestie
die in meinem
Rachen stirbt.
Maske eines Todeskampfs
die mir die Haut reißt
Schlafloser Widerhall der
Friedhöfe.
Es wirbeln die Wörter
mit ihrem Mark von
Ramsch-Ware
Trügerische Sinne
und dieser Nimbus
eines Kindes, das sich
verfangen hat im Schwamm
der Zeit.
FÁBULA DEL SOLITARIO
A Ruth Silva
He vivido
En las esquinas de mi cuarto
Vacía la cama
Los muros helados
Propicios para el desvelo.
Creí ver a Buda en mi almohada
A mi esposa muerta
Que acaricia mis manos
Frágil y temblorosa
Con sus labios
Escarbando mi vejez
El adiós de esa costra
Que alguna vez se llamó
Amor / Cerebro desnudo
Máscara y andrajo
»¿Cómo estás perro?«
Me dice
Y caigo muerto sobre ella.
(2011)
MÄRCHEN VOM EINZELGÄNGER
Für Ruth Silva
Ich habe gelebt
in den Ecken meines Zimmers
Leer das Bett
die Mauern eisig
zum Vorteil der
Schlaflosigkeit.
Ich glaubte Buddha in meinem
Kissen zu sehen
meine verstorbene Frau
die mir die Hände streichelt
zerbrechlich und zittrig
mit ihren Lippen
mein Alter aufwühlend
den Abschied dieser Kruste
die irgendwann einmal
nackte Liebe / nacktes Hirn
hieß
Maske und Lumpen
»Wie geht’s dir, Hund?«
fragt sie mich
und
ich breche tot über ihr zusammen.
In Humberto Quino:
Jemand anders sein und es nicht wissen / Como ser otro y no saberlo
Aus dem bolivianischen Spanisch von Michael Ebmeyer. Heidelberg (hochroth Heidelberg) 2021.
38 Seiten. 8,00 Euro. ISBN: 978-3-903182-88-2

Der Autor
Humberto Quino
Márquez, geboren am 6. Juni 1950 in La Paz, Bolivien. Dichter und Denker,
Herausgeber und Verleger. Lyrische Veröffentlichungen (u.a.): Escritura fallida
(1976); Delirio de un fauno en la avenida Buenos Aires a las 12 & 45
(1978); Balada para mi coronel Claribel y otros huevos (1979); Manual de
esclavos (1980); Mudanza de oficio (1983); Fosa común (1985); Tratado sobre la superstición
de los mortales (1987); Crítica de la pasión pura (1993); Coitus ergo sum
(2003); Summa poética (2002/2016); Cornudos por la gracia de dios (2013). Die
in diesem Band enthaltenen Gedichte aus dem Jahr 2020 – unter dem Eindruck der
Pandemie entstanden –sind Erstveröffentlichungen.
Der Übersetzer
Michael Ebmeyer, geboren 1973, hat die Romane Plüsch, Achter
Achter, Der Neuling und Landungen sowie einige weitere Bücher veröffentlicht.
Zudem übersetzt er aus dem Spanischen, Englischen und Katalanischen. Für
hochroth hat er die Lyrikbände Sprengkopf von Néstor Mendoza und Chaosforschung
von Rery Maldonado sowie Jesús Ortegas Der Nagel an der Wand. Kurzgeschichten
aus Granada aus dem Spanischen übertragen.