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Hrafn Andrés Harðarson: Die Wellen, die Liebe, der Klee

Werkstatt/Reihen > Reihen > Wortlaut Island

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Hrafn Andrés Harðarson    

(Aus: Haustið í litum / Der Herbst in Farben, noch unveröffentlicht)

Aus dem Isländischen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer

 
IM MEER

Wie zugedeckt
liegt blau, grau
tiefgrün
das Meer

doch weit unten
in der finstren Tiefe
schläft die Stadt
die das Salz bewahrt

und von dort fließen
Kummer
und Schmerz
in Wunden und Herz



DIE WELLEN DER ZEIT

Später kommen die Herbstwinde
pünktlich
und voller Gefahr

Es braust um die Stirn
Getöse alter Träume

lässt das Herz erkalten
Der leuchtende Sommer segelt
davon auf den Wellen der Zeit

Ach, wohin?



DIE LIEBE

Der Schnee malt die Welt
in reinem Weiß

ach, Traumwelt

Schönheit
weißer Schatten

deine schwarzblauen Vorhänge
verbergen deinen nahenden Tod



DER KLEE

Eine duftende Spitze
voll blühenden Klees
schmückt die Hauswiese meines Nachbarn
sie ähnelt einem blassbleichen
Feuermal
im Gesicht einer schlafenden
Frau

Es gefällt mir
sie anzuschauen
und ihren Duft
einzuatmen
solange ich kann

bevor er
sie
mäht


Hrafn Andrés Harðarson wurde im April 1948 in Kópavogur, Island, geboren. Von 1969 bis 1972 studierte er Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der heutigen Metropo-litan University of London, gefolgt von einem Literaturstudium an der Universität von Island. 36 Jahre lang arbeitete er als Stadtbibliothekar in der Stadt Kópavogur und war Mit-Gründer der Ritlistarhópópur Kópavogs, der Schriftstellervereinigung von Kópavogur, die vier Anthologien mit Gedichten ihrer Mitglieder veröffentlichte, teilweise zusammen mit einer CD, auf der die Dichter ihre Gedichte vortrugen.
Er ist Autor von Kurzgeschichten und mehreren Artikeln über Bibliotheken, Bücher und Themen, Kultur betreffend. Auch seine Gedichte wurden in Zeitschriften, Zeitungen und Anthologien veröffentlicht sowie in andere Sprachen übersetzt, z. B. ins Türkische, Pol-nische, Lettische, Englische, Deutsche und Russische. Auch war er selbst als Übersetzer von Lyrik tätig, u.a. aus dem Lettischen. Er veröffentlichte mehrere eigene Gedichtbände, zuletzt Þaðan er enginn / Von dort ist niemand 2020 im Verlag Sæmundur.
Die hier zitierten Gedichte sind seinem neuesten, noch unveröffentlichten Band Haustið í litum / Der Herbst in Farben entnommen.
Hrafn Andrés Harðarson beendete 2015 seine Arbeit als Leiter der öffentlichen Bibliothek in Kópavogur und lebt heute in Hveragerði.

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