Horst Samson: In der Sprache brennt noch Licht
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Barbara Zeizinger
Horst Samson: In der Sprache brennt noch Licht. Ludwigsburg
(Pop Verlag) 2021. 195 Seiten. 19,90 Euro.
Sprache als Wegweiser
die
/ Vaterländer ‒alle / Samt verbraucht schreibt
Horst Samson in dem Gedicht Überarbeitung des Kleingedruckten, und in
Raumfahrt ergänzt er: Setzten alles auf die Sprache, sie ist / Der
einzige Planet für Flüchtende.
Beide
Gedichte stehen in Horst Samsons Lyrikbandband In der Sprache brennt noch
Licht. Darin vagabundiert er – wie im Klappentext zu lesen ist ‒ in sieben
Kapiteln und in insgesamt mehr als 130 Gedichten ‒ wie ein dichterischer
Odysseus durch alle Welten, wobei ihm die Sprache als einzig verlässlicher
Kompass dient. Nicht von ungefähr wird der Band mit Zeilen des im
amerikanischen Exil lebenden chinesischen Dichters Bei Dao eröffnet (Heimreisen
/ sind immer länger als Irrwege, / länger als ein Leben …) und mit einem
Gedicht über den Grenzbahnhof Curtici beendet, von dem aus Horst Samson im März
1987 aus Rumänien ins Exil nach Deutschland fuhr, weil er mit
Publikationsverbot konfrontiert war und vor der Securitate fliehen musste.
Es
ist also die Sprache, die den Autor und mit ihm sein lyrisches Ich durch die
Fährnisse des Lebens leitet. Sie muss geschützt, darf nicht eingesperrt werden,
denn sie ist Frei wie ein Stern; in der Sprache fliegen wir / Gerettet in
höhere Lüfte und es gibt einen Wind, der aus der Sprache / weht. In
einem schönen Gedicht, das Hilde Domin und ihrem Mann gewidmet ist, heißt es Die
Wörter sind verzauberte / Vögel, heimwehgefiedert / Halten sie mich in den
Lüften aufrecht. Und ein paar Zeilen weiter im selben Gedicht:
Vielleicht, die Wörter schlafen in mir / Nie. Die Sprache bringt Licht ins
Dasein, und allein in zwei Gedichten wird der Titel des Bandes zitiert.
Das
oben erwähnte Gedicht, dem die Zeilen von Bei Dao vorangestellt sind, lautet Unterwegs
und könnte ein weiteres Motto der Gedichte von Horst Samson sein. Gut passt
es zu den vielen im Band enthaltenen Reisegedichten. Wir lesen u. a. von
Frankreich, Griechenland, dem Walchensee, dem Roten Moor, von Kapstadt, von
Frankfurt, wobei es nie nur um die Orte geht, sondern immer darum, was sie beim
lyrischen Ich auslösen. Beispielsweise in dem Gedicht Walchensee.
Die Euphorie des Wassers: Es gibt keine Zeit, nichts / Vergeht ohne mich, so
lange wie ich /Nicht aussteige aus dem Fluss // Der Bilder. Ich bin, denke ich,
im Imaginären / Beweglicher noch als der Augenblick / Am Ende des Tages.
Mehrere Gedichte handeln, leider sehr aktuell, vom Krieg. Mohn, die blutrote Metapher / Im Gedächtnis / Verwundet / Auf den Schlachtfeldern lauten die ersten Zeilen in dem Gedicht Verkettungen, wodurch Horst Samson bildhaft sowohl an Paul Celans Lyrikband Mohn und Gedächtnis erinnert, als auch die Bedeutung der Mohnblume besonders im Commonwealth für das Gedenken an gefallene Soldaten assoziiert. Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Dieser Satz des Dichters Carl Sandburg wurde auf vielen Friedendemos zitiert. Horst Samson stellt ihn im englischen Original seinem Gedicht Vaterlunte. Vom Gehen voran. Krieg geht /Immer lauten hier die ersten beiden Zeilen, an denen man beispielhaft sehen kann, wie der Autor meisterhaft den Zeilenbruch einsetzt, wodurch scheinbar eindeutige Bedeutungen hinterfragt werden. Dies gilt für alle Gedichte.
Horst Samson wurde als Kind deportierter Eltern in der Bărăgansteppe geboren und musste später, wie erwähnt, seine Heimat im Banat verlassen. So ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Gedichte von dieser existentiellen Erfahrung handeln. An Schnee und Wölfe erinnert er sich, an die Hütte im Bărăgan und an den Wind Crivăt, der mehrmals vorkommt. Ein Gedicht ist den Kollegen gewidmet, die mit ihm zusammen die widerständige Aktionsgruppe Banat bildeten. Das Gedicht Sinnfonisches Finale in G-Dur zeigt anschaulich die Situation aus der damaligen Zeit: Wir haben uns die Zungen wund, die Köpfe / Heiß geredet, gestritten, getrunken / Und trugen uns oft lebendig selbst / Zu Grabe oder ins Grundbuch / Der Literatur ein.
Viele der zahlreichen Gedichte könnten noch angeführt werden. Vor allem auch die Naturgedichte, die in sehr sinnlicher Sprache den Kreislauf der Natur zum Thema haben. Mindestens sieben Gedichte handeln vom Schnee, der das Land (und manches Unschöne) zudeckt, aber die Erinnerungen wachhält.