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Hellmuth Opitz: Manches ist besser geküsst als gesagt

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Marcus Neuert

Hellmuth Opitz: Manches ist besser geküsst als gesagt. Liebesgedichte. Bielefeld (Pendragon Verlag) 2024. 120 Seiten. 20,00 Euro (D). ISBN 978-3-86532-880-9

Spiel's noch einmal, Hellmuth!


As Time Goes By: Mehrere Jahrzehnte dichterischen Schaffens liegen zwischen den poetischen Anfängen des Bielefelder Lyrikers Hellmuth Opitz, geboren 1959, und der Gegen-wart. In diesem Zeitraum hat sich der Dichter vielen Themen gewidmet, hat nicht selten mit ironischer Finesse die Unzulänglichkeiten des Alltags und der Gesellschaft oder gar die Aufgaben diverser Haushaltsgeräte (Die Dinge tun einfach ihre Pflicht) beleuchtet. Doch wie ein roter Faden zieht sich vor allem ein Sujet durch sein Schaffen: das Liebesgedicht in all seinen Facetten.
           Der vorliegende Band Manches ist besser geküsst als gesagt, einmal mehr bei Opitz' Hausverlag der vergangenen Jahrzehnte, Pendragon in Bielefeld, erschienen, versammelt lyrische Texte über die Liebe aus vierzig Jahren, von denen die meisten bereits vorher veröffentlicht wurden. Nur sechs der Gedichte sind neu bzw. bisher unpubliziert.
           Es handelt sich also gewissermaßen, um im Jargon des Musikjournalismus zu bleiben, den Hellmuth Opitz in jungen Jahren für Rock- und Popmagazine ausübte, um ein Best-Of-Album mit Bonus Tracks. Solche Zusammenstellungen sind etwas für Sammler, aber auch für Neueinsteiger – sind doch oft die alten Original-Platten nicht mehr lieferbar.
Man sollte jedoch nun nicht der Vorstellung erliegen, Opitz' Manches ist besser geküsst als gesagt sei so etwas wie das lyrische Äquivalent einer Kuschelrock-CD von Anno Einst. Das wäre wirklich weit gefehlt, denn der Autor ist ein ungemein erfahrener Kapitän zwischen den Klippen schiefer Bilder und den Untiefen gefälliger Formulierungen, an denen so viele, auch Große, schon scheiterten. Nein, wenn Hellmuth Opitz scheitert, dann auf seine sprachlich unnach-ahmlich charmante Weise wie im Eingangstext Schöner scheitern, in welchen die suchenden Finger des erglühten Liebenden an der entscheidenden Stelle „ein geflüstertes Nein“ ereilt: „Was bleibt / ist Atemlosigkeit und weiches / Nackenhaar, dazu ein glühendes / Gesicht. Nein, schöner scheitern kann man nicht.“
Viele dieser wieder neu gelesenen Texte, die schon vor Jahren und Jahrzehnten Hellmuth Opitz' treue Fangemeinde begeisterten, steuern konsequent auf jenes große Finale der Neologismen zu, deren Prägung der Bielefelder in ihrer ironischen Brechung beherrscht wie nur ganz Wenige: „die reinste Gelbverschwendung“ in VierMinutenMai oder die zwi-tschernden „Kniekehlchen“ in Hohenschwangau etwa, oder aber sie finden zu wunderbar doppelsinnigen Schlussversen wie in Die elektrische Nacht: „Ein rascher Regen / berauschte die Straßen. / Das Jahr ging schweren Märzens / in den Frühling. Und hier / lag die Geliebte und schlief / überdacht von meinen Gedanken.“
           Mit diesen Versen wird aber auch schon deutlich, dass es in Opitz' Gedichten nicht nur um Heiter-Ironisches geht, nicht nur um jene Zwei oder drei Abende, an denen alles gelingt, sondern ganz häufig auch um die Ab- und Tiefgründe von Beziehungen, in denen sich der Protagonist etwa als „Millionär der ungenutzen Möglichkeiten“ bezeichnet (Lied der verpassten Chancen) oder in jenem Text, in welchem eine Frau den Anrufbeantworter ihres toten Geliebten anwählt, um seine Stimme noch einmal hören zu können (Als Max starb). Opitz ist der Meister aller Tonlagen des zeitgenössischen deutschen Liebesgedichts. An ihm müssen sich die Großen der Zunft messen lassen.
           Gilt dies auch für die neuen, bisher unveröffentlichten Gedichte im Band? Man kann das uneingeschränkt bejahen. Doch wie ist eine gleichermaßen so konsequent literarische als auch beim Lesepublikum erfolgreiche Produktion fortzuschreiben?             
            Hellmuth Opitz gibt darauf selbst im Epilog seines Buches eine Antwort: weil es trotz immer wieder „ähnliche[r] Motivlagen, Bilder oder Metaphern“ nie langweilig wird, darüber zu schreiben, und weil in den Texten auch „die Liebe zur Sprache deutlich wird“. So zeugen auch die „Bonus Tracks“ von jener sprachlichen Eleganz und inneren Tiefe, die Opitz mit den Jahren zur Perfektion entwickelt hat. So etwa in Gewöhnliches Bedauern, wo das lyrische Ich in wiederkehrenden Binnenreimen am Ende erkennen muss: „Ich hab mich aus Gewohnheit immer / so benommen, als wäre deine Liebe / bedingungsloses Grundeinkommen.“ Oder, im nachdenklichen Prosaton der Wiederbegegnung mit einer jungen Frau aus alten Rockband-Tagen gedenkend in Die Tochter des Nachbarn, indem der Protagonist über dieses inzwischen tätowierte Groupie jener einstigen musikalischen Helden der Kreisklasse sagt: „Ich meine, ich konnte ihren Rücken lesen / wie eine Graphic Novel. / Der Gitarrist kam nicht darin vor / und ich schon gar nicht.“
           Der große Bielefelder Liebeslyriker hat wohl Recht: auch sein Publikum wird weder des Tons noch des Themas so schnell überdrüssig werden. Es gibt noch eine Menge gelungener Verse zum Sujet der schönsten zwischenmenschlichen Beziehungen beizusteuern. Write on, Hellmuth!

© Marcus Neuert, Februar 2025


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