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Hans-Gerd Pyka: Gesicht zur Wand

Rezensionen/Lesetipp > Rezensionen, Besprechungen


Jan Kuhlbrodt

Hans-Gerd Pyka: Gesicht zur Wand. Roman. Berlin (Verlag Dreiviertelhaus) 2024. 648 Seiten. 30,00 Euro.

Konstruktion und Erfahrung
zu Hans-Gerd Pyka
Gesicht zur Wand


Wer einmal in der DDR durch die Volkspolizei „zugeführt“ wurde, hat diesen Befehl gehört und sicher seitdem diesen Stimmklang nicht vergessen. Soweit Erfahrung. Erlebtes. Aber etwas liegt in der Sprache, in der Erfindung, simuliert Realität, die an Wahrheit grenzt.
Vor einigen Jahren erschien im Verlag Dreiviertelhaus fast unbemerkt ein edel gestaltetes Buch, querformatig, mit Zeichnungen und Kurzgeschichten von Hans-Gerd Pyka: „Graphit und Bindestrich“ Ich hatte mir mehrfach vorge-nommen, dieses Buch zu besprechen, nicht zuletzt weil mich die lebensechte Skurrilität der Texte, die sich in den Zeich-nungen spiegelt (oder umgekehrt) doch ziemlich unterhielt. Aber wie dem so ist, ich fand keinen Einstieg, verschob das Ganze und verschob, bis das Buch, das gut sichtbar im Regal stand und anfangs noch mahnte, sich mit der Zeit ins Interieur des Zimmers zurückzog, gleichsam in dauernder Anwesenheit verschwand.
Jetzt aber fiel es mir unverhofft wieder ins Auge, weil mir der Verlag ein weiteres Buch des Autors zuschickte. Vielleicht ist es sein zweites, denn wie das Buch in Anwesenheit ver-schwand, verlor sich in mir auch der Name des Autors. Nach der Lektüre des zweiten Buches aber wünsche ich mir und ihm und seinem Namen eine ausdauernde Anwesenheit.

Pyka ist 1955 in Salzgitter geboren, also politisch räumlich eine Welt vom Ort der Handlung seines Romans entfernt. Es blieb ihm, dem Westdeutschen, also nix übrig, als eine DDR zu erfinden und damit nachzuempfinden und die Skurrilität, die wir Eingeborenen als Normalität empfanden, zu rekonstruieren. Vielleicht finden die Echtheitsdetektive leichte Verschiebungen im Vokabular, wie sie es gern in allem finden, was ihrer Meinung nach den für sie Anderen zu Schreiben nicht zukommt.  

Pykas Roman aber ist ein DDR- und damit natürlich eben auch Fluchtroman. gut recherchiert, so ich das aus meiner konkreten Erfahrung beurteilen kann.

Aber Vorsicht! Wahrheit und Erfahrung gehen zuweilen getrennte Wege, da hilft eben nur der fremde Blick. Wie der Pykas zum Beispiel. Erkennen und Wiedererkennen. Zuweilen Erkenntnis. Enlightenment. Und "Gesicht zur Wand" ist natürlich dabei ein treffender Titel. Und für mich auch ein Erlebnisecho.


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