Hans Blumenberg über Schönheit der Technik
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Hans Blumenberg über Schönheit der Technik
(in: Schriften zur Technik stw 2141, 2015)
Das lateinische Wort >ars< ist der Erbe der
Bedeutungen, die griechisch mit τέχνή
bezeichnet wurden: Kunst und Technik im heutigen Sprachgebrauch, sind
Entfaltungen der ursprünglichen >ars< des Menschen, einer >Kunst<,
die sich als die Einheit des werkgestaltenden Könnens des Menschen verstehen
lässt. Das gemeinsame Neue der neuzeitlichen Kunst und Technik ist die
Auffassung, die der Mensch sich von den Möglichkeiten seines Könnens im
Hinblick auf die Verwirklichung seines Genusswillens gebildet hat. Das Moment
des Genusses macht den einen Grundzug der neuzeitlichen Ästhetik aus,
das der schöpferischen Macht des Künstlers den anderen.
(S. 25: Das Verhältnis von Natur und Technik als
philosophisches Problem)
Die
Sperre, die die wissenschaftliche Vernunft dem Anspruch der Emotionalität entgegengesetzt
hat, hat diesen Anspruch in eine andere Sphäre abgedrängt, die dadurch in der
Neuzeit eine einzigartige, mit ihrer vorausgehenden Geschichte
unvergleichliche, Bedeutung erlangt hat: Die Sphäre der Kunst.
(S. 75: Der kopernikanische Umsturz und die Weltstellung des Menschen)
„Schönheit ist Form der Zweckmäßigkeit eines
Gegenstandes, sofern sie, ohne Vorstellung eines Zweckes, an ihm wahrgenommen
wird.“ [Kant] Der tiefe Grund aller Schönheit ist die
unmittel-bare Übereinstimmung zwischen dem Subjekt und dem Objekt, das
Bewusstsein, dass die Dinge überraschend einer geheimen und unbegriffenen
Erwartung entsprechen, mit der der Mensch ihnen gegenübertritt, dass wir sie
„nicht anders gemacht hätten“. In der Wahrnehmung der Schönheit ist das
Subjekt niemals einsam, denn das Schöne beansprucht, wie Kant sagt,
„subjek-tive Allgemeingültigkeit“.
(S. 82: ebda)