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Günter Plessow: Übersetzen ist unmöglich

Memo/Essay > Aus dem Notizbuch

Günter Plessow

Skizze

Übersetzen ist unmöglich, sagen kluge Leute und können die Gründe aufzählen. Gleichwohl wird übersetzt. Wie geht das zu? Ich glaube, Übersetzen ist Übersetzen über einen breiten, unberechenbaren Fluß. Man braucht schon etwas Mut, und eine Ausrüstung kann nicht schaden, ein Boot, Riemen. Man sollte rudern können und schwimmen am besten auch. Der Fluß ist alles das, was uns entgegensteht: die verstrichene Zeit, die kulturelle Veränderung, die Heterogenität der Sprachen, der Rangunterschied der Geister, das Bescheidwissen der klugen Leute. Der Fluß trennt. Hüben die klugen Leute, drüben der Autor, dazwischen irgendwo der Übersetzende. Der Autor hat den leichtesten Part. Sein Werk liegt vor. Er wußte, was er sagen wollte, und sagte es. Nun steht er, verewigt, am anderen Ufer des Flusses und kann den Mühen des Übersetzenden freundlich-gelassen oder auch milde-gelangweilt zusehen. Die klugen Leute haben es nicht ganz so leicht. Sie haben studiert und wissen nun bescheid, wissen, warum es nicht funktionieren kann, und raten dazu, die fremde Sprache zu lernen, möglichst so gut wie die Muttersprache, dann seien Übersetzungen entbehrlich. Imgrunde denken sie den Fluß weg. Der Übersetzende kann das leider nicht. Das macht es so schwer. Er versteht die fremde Sprache, spricht sie vielleicht sogar. Aber der Fluß ist dennoch da, für ihn jedenfalls. Der Autor, den er kennt, steht am anderen Ufer und winkt ihm zu. Also springt er ins Boot und rudert, so gut er kann. Ob er ankommt? Lesen wir Sonett 80:


Wie zaghaft ich doch schreibe, seit ich weiß,
ein Besserer benutzt nun deinen Namen,
setzt all sein Können ein zu deinem Preis!
Dich rühmen––meine Zunge möcht erlahmen.
Da deine Würde weit reicht wie das Meer,
geringe Segel trägt und stolzgeschwellte,
erscheine ich gefährdeter als er,
ein schwanker Kahn, der in der Flut zerschellte.
Ich liefe auf––dein Beistand hält mich flott,
er segelt überm Abgrund und besteht;
zerbreche ich, so ist es nur ein Boot,
nicht hochgebaut wie er und stolzgebläht.
Nun, käm er an, indes ich draußen bliebe,
das Schlimmste wär––mich tötete die Liebe.

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