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Gottsched: Das VIII. Capitel

Poeterey




Erster allgemeiner Theil


Das VIII. Capitel.


Von verblümten Redensarten.


1. §. Der größte Zierrath poetischer Ausdrückungen besteht freylich in den tropischen, uneigentlichen und verblümten Worten und Redensarten. Man setzt dieselben dem eigentlichen Ausdrucke entgegen, der alle Wörter in ihrer natürlichsten und einfältigsten Bedeutung braucht. Dieses ist die allergemeinste Art zu reden und zu schreiben, die auch den allerschlechtesten Köpfen nicht schwer ankömmt. So leicht und verständlich sie ist, wenn sie nur nach den Regeln der Sprachkunst richtig bleibt: so trocken, so mager und wässerigt ist sie auch. Sie hat kein Feuer, keinen Geist, kein Leben in sich, und ist sehr geschickt, einen, der sie höret oder liest, einzuschläfern. Diejenigen Poeten unsers Vaterlandes, die sich mehr auf ein fließendes Sylbenmaaß, als auf gute Gedanken beflissen haben, sind in dieser Art des eigentlichen Ausdruckes fast zu tief herunter gesunken. Sie wollten die hochtrabende lohensteinische Schreibart meiden, und fielen in den gemeinen prosaischen Ausdruck: so, daß endlich ihre Gedichte nichts, als eine abgezählte Prose geworden. Es hat von ihnen geheißen:

SECTANTEM LEUIA NERUI
DEFICIUNT ANIMIQUE;


Ich will hieher nur Chr. Weisen und Bessern rechnen, welche gewiß in diesem Stücke vielmals gar zu natürlich geschrieben. Von dem erstern kömmt mir in seinen reifen Gedanken auf der 175 S. ohngefähr folgendes in die Hand:


Wer itzo fünfzig Jahr in seinem ganzen Leben
Zurücke legen kann, dem scheint es trefflich viel:
Die Welt nimmt täglich ab, und will fast Abschied geben,
Jemehr die Jahrzahl wächst, je kürzer wird das Ziel.
Derhalben welchen Gott mit dieser Gnade segnet,
Daß er in seiner Eh noch funfzig Jahr vollbringt,
Dem ist ein Wunderwerk und solch ein Glück begegnet,
Das unter hunderten kaum einem halb gelingt.
Hier steht dergleichen Mann, ein Priester, greis von Haaren etc.


Aus dem letztern fällt mir, beym Aufschlagen, das Beylagersgedichte von Alexandern und Roxanen in die Augen, wo Jupiter im Vorspiele sich so hören läßt:

Daß Ehen auf Erden
Von Menschen vorgenommen werden,
Kommt nicht von Menschenvorsatz her:
Es ist mein Thun, der ich die Welt regiere,
Es ist ein Werk vom Jupiter.
Lernt, Sterbliche, daß ich die Herzen führe;
Daß Ehen zwar auf Erden
Vollzogen; aber nur von mir beschloßen werden.


2. §. Was ist nun in diesen beyden Stücken poetisches, außer dem Sylbenmaaße und den Reimen? Sind es nicht lauter gemeine Gedancken, gemeine Wörter und Redensarten, und gemeine Bedeutungen derselben? Wie hätte man sich eigentlicher ausdrücken, und den natürlichen Verstand der Worte genauer beybehalten können, als hier geschehen ist? Man darf nur eine kleine Veränderung damit vornehmen, so, daß das Sylbenmaaß verschwindet, und der Reim wegfällt: so bleibt nichts als eine sehr magre Prosa übrig. Wir wollen mit dem ersten die Probe machen:
»Wer itzo in seinem ganzen Leben fünfzig Jahre zurücke legen kann, dem scheint es trefflich viel zu seyn. Die Welt nimmt alle Tage ab, und will uns fast Abschied geben. Jemehr die Jahrzahl zunimmt, je kürzer wird auch das Ziel. Welchen Gott derohalben mit dieser Gnade segnet, daß er noch funfzig Jahre in seiner Ehe vollbringt, dem ist ein solch Wunderwerk und Glück wiederfahren, das kaum einem unter hunderten halb zu gelingen pflegt.« etc.
Nun möchte ich gern wissen, wo hier das poetische Wesen stecket; worinn sich der Geist und Witz eines Dichters gewiesen hätte? Alles dieses hat meines Erachtens ein jeder denken und schreiben können, der niemals einen Poeten gesehen oder gelesen, ja kein Wort von Poesie reden gehört hat. In der besserischen Stelle redet der Gott Jupiter ebenfalls in der gemeinsten Sprache, wenn man nur das klingende Sylbenmaaß und die Reime wegschaffet.
»Daß auf Erden von den Menschen Ehen vorgenommen werden, das kömmt nicht vom Vorsatze der Menschen her. Es ist ein Werk Jupiters; es ist nur mein Thun, der ich die Welt regiere. Lernet ihr Sterblichen, daß ich die Herzen lenke, und daß die Ehen auf Erden zwar vollzogen, aber nur von mir beschlossen werden.«
3. §. Vielleicht halten viele dafür, daß dieses eben die rechte Schönheit der vernünftigen Poesie sey, ganz natürlich zu reden, und sich von allen schwülstigen Redensarten zu enthalten. Allein wir wollen uns erstlich erinnern, daß Horaz uns vor beyden Fehlern gewarnet, und weder zu hoch über allen Wolken noch leerer Luft zu schnappen, noch im Staube zu kriechen, sondern die Mittelstraße zu halten, und auf dem erhabenen Parnaß zu gehen, befohlen hat.

PROFESSUS GRANDIA, TURGET;
SERPIT HUMI, TUTUS NIMIUM TIMIDUSQUE PROCELLAE:
IN VITIUM DUCIT CULPAE FUGA, SI CARET ARTE.


Fürs andere ist es längst, auch von Rednern, angemerket worden, daß der uneigentliche Ausdruck durch verblümte Redensarten, so gar der ungebundnen Rede eine besondere Anmuth giebt. Cicero z.E. lehrt im dritten Buche vom Redner im 38. Capitel ausdrücklich, daß die uneigentlichen Bedeutungen der Wörter zwar zu allererst aus Mangel und Dürftigkeit der Sprachen aufgekommen; hernach aber auch zur Anmuth und Zierde gebraucht worden: wie man auch die Kleidungen anfänglich zur Bedeckung unsrer Blöße, nachmals aber zur Pracht ausgesonnen und eingeführet hat. Er erweiset es durch verschiedene verblümte Reden, die auch bey den lateinischen Bauern gewöhnlich gewesen; dergleichen etwa bey uns folgende wären: Der Wald ist mir ausgestorben; der Baum hat den Krebs; die Zweige kriegen schon Augen; die Saat steht geil; der Acker ist fett; das Getreyde brandig, u.d.gl. Darauf erinnert er, daß es außer diesen gemeinen Arten verblümter Reden, noch eine verwegnere Gattung gebe, die nicht aus dem Mangel der Sprache; sondern aus einem feurigen Witze entsteht, und der Rede viel Glanz und Schönheit zuwege bringet; welches er denn mit vielen poetischen Exempeln erläutert.
4. §. Ich will desgleichen thun, um die Sache in ein völliges Licht zu setzen. So schreibt Flemming auf der 362. S.

Der verliebte Himmel lächelt,
In die gleich erwärmte Luft,
Welche gleichsam Küsse fächelt,
Auf der schwangern Erden Kluft,
Die bald beyden, so sie liebet,
Tausend schöne Kinder giebet.


Wer sieht hier nicht einen weit edlern poetischen Ausdruck; in verblümtem Verstande gebrauchte Worte, und kühne Redensarten? Der Himmel muß verliebt heißen, welches man sonst nur von verständigen Wesen sagt. Die Luft muß Küsse fächeln; weil sie so lieblich ist, als eine freundliche Schönheit, wenn sie einen Geliebten küssen will. Die Erde ist schwanger, weil die Gewächse gleich einer Frucht im Mutterleibe, in ihr verborgen liegen, ehe sie im Frühlinge ausbrechen. Sie muß den Himmel und die Luft lieben; welches wiederum nur im verblümten Verstande angeht: weil sie sich nämlich bey der Gegenwart des freundlichen Himmels, mit ihrem Laube und Grase schmücket; wie eine verliebte Dirne gegen die Ankunft ihres Liebsten. Endlich giebt sie tausend schöne Kinder, das ist, in der eigentlichen Sprache zu reden, Blumen und Früchte. Und wer sieht hier nicht, daß diese Strophe durch ihre verblümten Redensarten weit schöner und geistreicher geworden, als wenn sie aus lauter eigentlichen Ausdrückungen bestanden hätte? Noch eins zum Ueberflusse, aus eben dem Poeten, auf der 353. S.

Die verlebte Welt wird jünger,
Und streicht mit verliebtem Finger,
Ihre Runzeln von der Haut.
Seht, seht, wie sie aus den Feldern,
Aus den Auen, aus den Wäldern,
Mit verbuhlten Augen schaut.


5. §. Hieraus erhellet ja wohl deutlich genug, was ein poetischer Geist, was eine edle Art zu denken, und ein feuriger ungemeiner Ausdruck sey. Dieß ist die Sprache der Poeten, dadurch sie sich von der magern prosaischen Schreibart unterscheiden. Mail versuche es, und zertrenne auch hier das Sylbenmaaß; man verstecke die Reime, wie man will: es wird doch ein poetischer Geist daraus hervorleuchten. Daß aber dieses die rechte Probe des poetischen Geistes sey, das lehrt uns Horaz, der in der IV. Satire seines I.B. ausdrücklich sagt, daß seine und des Lucilii Verse nichts poetisches mehr an sich behielten, so bald man durch die Versetzung der Worte ihnen das Sylbenmaaß genommen. Weit anders verhalte es sich mit dem Ennius, der die poetische Schreibart in seiner Gewalt gehabt. Denn wenn man gleich die Worte: Nachdem die scheußliche Zwietracht die eisernen Pfosten und Thore des Krieges erbrochen, noch so sehr versetzen wollte: so würde man doch allezeit die Glieder eines zerlegten Poeten darinn antreffen. Es ist werth, daß ich das lateinische davon hersetze.¹ Ich muß nur erwähnen, daß Horaz durch diese Anmerkung erweisen wollen, eine Satire verdiene nicht den Namen eines Gedichtes. Denn kurz vorher hatte er sich ausdrücklich aus der Zahl der Poeten ausgeschlossen, in so weit er nur ein Satirenschreiber war.² Ein Poet muß also einen großen Witz, einen göttlichen Geist und einen erhabnen Ausdruck haben, wenn man ihn mit diesem Namen beehren soll.
6. §. Und freylich zeiget sich der Witz eines Poeten hauptsächlich in der glücklichen Erfindung verblümter Redensarten. Denn ist derselbe eine Kraft der Seelen, das Aehnliche leicht wahrzunehmen: so merket man, daß in jedem uneigentlich verstandenen Worte ein Gleichniß steckt, oder sonst eine Aehnlichkeit vorhanden ist, weswegen man eins für das andere setzt. Das belustiget nun den Leser eines solchen Gedichtes. Er sieht nicht nur das Bild, darunter ihm der Poet eine Sache vorstellet, sondern auch die Absicht desselben, und die Aehnlichkeit zwischen beyden; und da sein Verstand auf eine so angenehme Art mit so vielen Begriffen auf einmal beschäfftiget ist, so empfindet er nicht nur wegen der Vollkommenheit des Poeten, dessen Schrift er liest, ein Vergnügen; sondern er belustiget sich auch über seine eigene Scharfsinnigkeit, die ihn fähig macht, alle Schönheiten des verblümten Ausdruckes, ohne Mühe zu entdecken. Z.E. Amthor schreibt auf der 125 Seite:

Itzt schwindet allgemach,
Der Schatten lange Nacht, und läßt der Thürme Zinnen,
Ein frohes Morgengold gewinnen.
Der alte Nordwind giebt dem jungen Zephir nach,
Die Erde wird der lüstern Sonnen Braut,
Die ihren Bräutigam stets näher treten schaut.
Sie schmückt sich schon zur neuen Hochzeitfeyer:
Weil Phöbus ihren Wittwenschleyer,
Den Schnee und Eis ihr umgethan,
Aus heißer Brunst nicht ferner dulden kann.


Diese Stelle kann für ein Muster des guten verblümten Ausdruckes angesehen werden. Das frühe Morgengold auf den Zinnen der Thürme, ist das goldfarbigte Licht der Morgenröthe, und der hervorbrechenden Sonnenstralen, die sich an den Thurmspitzen zuerst zeigen. Der Nordwind wird, seiner Kälte halber, einem alten Manne, und der warme Zephir einem Jünglinge verglichen. Die Erde wird wegen ihres Putzes im Frühlinge, als eine Braut, und die Sonne, als ihr lüsterner Bräutigam vorgestellt: weil sie so unverwandt nach derselben ihre Stralen schießet, als ein verliebter Freyer bey seiner Liebsten zu thun pflegt. Der Schnee des vergangenen Winters, muß endlich, seiner Farbe halber, einen Witwenschleyer abgeben, den die brünstige Sonne ihr vom Angesichte gezogen hat. Wer hier nicht den Reichthum eines poetischen Witzes wahrnimmt, der muß gewiß keinen Geschmack an schönen Dingen finden können.
7. §. Ein jeder sieht aber von sich selber wohl, daß hier fast nichts anders, als die Metaphora vorgekommen, welche sonst bey den Lehrern der Redekunst die erste und hauptsächlichste Gattung verblümter Redensarten ist. Diese war auch den Alten, z.E. dem Aristoteles, einzig und allein bekannt, und die übrigen hat man erst nach der Zeit angemerket. Cicero nennt die Metaphore TRANSLATIO; beyde Wörter haben eine sehr allgemeine Bedeutung, und schicken sich auch so gar für die Metonymie, Synekdoche und Ironie. Deutsch müßte man sie eine Versetzung, oder einen Wechsel nennen; denn dieses drückt die Natur der Sache ziemlich aus: die Metonymie aber, als die andre Gattung verblümter Redensarten, könnte eine Namensänderung heißen. Doch wir müssen sie alle nach der Ordnung durchgehen, und mit Exempeln aus unsern Poeten erläutern. Ich kehre mich also an die stolzen Kunstrichter nicht, die es für eine zu geringschätzige Arbeit halten, sich mit Registern von Tropen und Figuren aufzuhalten. Man sieht es nämlich aus ihren eigenen Schriften wohl, daß sie sich mit den Regeln und deutlichen Begriffen dieser Zierrathe der guten Schreibart, nichts zu schaffen gemacht. Ihr Exempel also soll uns eher behutsam, als nachläßig in diesem Stücke machen.
8. §. Die Metaphore ist also eine verblümte Redensart, wo man anstatt eines Wortes, das sich in eigentlichem Verstande zu der Sache schicket, ein anderes nimmt, welches eine gewisse Aehnlichkeit damit hat, und also ein kurzes Gleichniß in sich schließt. Zum Exempel, Flemming schreibt in einer Ode auf der 363. S. die demantenen Gewässer, und bald hernach gedenkt er der buhlerischen Sterne. Wir haben schon oben die verwachte Rose, die taumelnden Cypressen, die gesunden Schatten und schlummernden Gewächse aus eben diesem Poeten angeführet. Dieses sind lauter metaphorische Ausdrückungen. Im eigentlichen Verstande hätte man sagen müssen: die klaren Gewässer, die blinkenden Sterne, die verwelkte Rose, die hin und her wankenden Cypressen; die kühlen Schatten; und die ruhigen Gewächse. Aber der Poet führet uns durch seine geistreiche Beywörter auf ganz andere Begriffe. Die allernächsten Wörter sind ihm zu schlecht; er holet sich von weitem ganz ungemeine Gedanken her, die sich aber zur Sache schicken, und dem Verstande sehr angenehme Bilder machen, wenn er die Aehnlichkeit derselben einsieht. Eben dergleichen finde ich in Pietschens Hochzeitode auf Prof. Bäyern in Petersburg, meinen nunmehr seligen Freund, sehr häufig. Z.E. in dieser Strophe:


Die holden Wangen deiner Braut,
Muß eine keusche Röthe färben,
So, wie man sonst den Himmel schaut,
Wenn die verlebten Tage sterben.
Des Jungferstandes letzter Schein,
Ist ein nicht fehlender Prophete,
Der Tag wird heiß und heiter seyn,
Nach einer schönen Abendröthe.


9. §. Eben dergleichen Metaphoren können auch in selbstständigen Nennwörtern und Hauptwörtern, ja fast in allen andern vorkommen. Z.E. Canitz schreibt:

Ists ihm nicht mehr vergönnt, zu küssen eine Docke,
Die ihre freche Stirn mit Thürmen überhäuft etc.


Da ist das Wort Thürme, für den hohen Kopfputz gebraucht, der vor zwanzig oder dreyßig Jahren Mode gewesen. Eben so hat Heräus auf der 248. S. die großen Perrucken beschrieben.

Der weißbestäubte Busch, der ganze Leiber deckt.


Imgleichen Opitz, nennt ein Frauenzimmer ein Bild; wegen der Schönheit, die man in Bildern am vollkommensten finden kann. Auf der 165. S. der Poet. Wäld.

Hier geht ein schönes Bild,
Wo nichts zu spüren war, als ungezähmtes Wild.


Von Hauptwörtern mögen folgende Exempel dienen. Heräus sagt, ein Fleißiger habe Minuten zu zählen:

Wie diesem, dessen Fleiß Minuten hat zu zählen,
Der kömmt, den guten Tag zu biethen und zu stehlen.


Um das Zählen ist es einem Fleißigen wohl nicht zu thun: aber es heißt hier beobachten, ja theuer und werth halten, weil man solche Dinge genau nachzuzählen pflegt. Das Stehlen schicket sich hier gleichfalls so eigentlich nicht zum Tage. Aber es heißt hier unbrauchbar machen; weil man Sachen, die uns gestohlen werden, nicht mehr zu seinem Nutzen anwenden kann. Opitz schreibt auf der 166. Seite der poetischen Wälder.

Ich kenne den Weg auch. Sehr oft hab ich gemessen
Den grünen Helikon, bin oben auf gesessen,
Durch mich wird itzt das Thun in Deutschland aufgebracht,
Das künftig trotzen kann der schönsten Sprachen Pracht.
Wer diesen Zweck erlangt, der darf nicht unten kleben,
Und wär er zehnmal todt, so soll er dennoch leben,
Gott herbergt selbst in ihm, ja was er denkt und schafft,
Reucht nach Unsterblichkeit, schmeckt nach des Himmels Kraft etc.


Den Helikon messen, heißt hier darauf gehen: weil man mit Schritten zu messen pflegt. Die schönsten Sprachen trotzen, heißt hier, ihnen an Schönheit gleich gehen. Unten kleben, heißt hier, unten bleiben; leben heißt, unvergeßlich seyn; herbergen, heißt, in etwas anzutreffen seyn; nach Unsterblichkeit riechen, und nach des Himmels Kraft schmecken, heißt, nur jenes und dieses zu verstehen geben, und an sich spüren lassen. Und diese Exempel können davon genug seyn.
10. §. Wenn die Metaphore länger, als in einem Worte fortgesetzt wird, so heißt sie eine Allegorie. Z.E. Flemming schreibt von einem Bräutigam:

Viel tausend, tausend feuchte Küsse,
Bethauen die vermählte Hand:
Damit der Liebe trächtigs Land,
Hinkünftig nicht vertrocknen müsse.


Die Liebe wird hier als ein besäeter Acker vorgestellet, der eines nassen Thaues benöthiget ist, damit er nicht verdorre: Und diesen findet der Poet in den feuchten Küssen des Bräutigams. Canitz beschreibt die Reizungen der bösen Lüste unter dem Bilde des ersten Sündenfalles:

Wir hören überall Verführungsschlangen pfeifen,
Wir wollen hier und da nach fremden Aepfeln greifen,
Wie wässert uns der Mund? die Hand wird ausgestreckt.


Amthor beschreibt den Christenwandel unter dem Bilde des israelitischen Zuges nach Canaan auf der 308. Seite:

Der Proben harter Strich macht seinen Werth bekannt,
Man kömmt durchs rothe Meer nur ins gelobte Land,
Und muß durch manchen Kampf den Heldenmuth beweisen.
Es trägt Arabiens bestäubte Wüsteney
Nur Hunger, Durst und Angst auf allen Wegen bey,
Durch die der Wandrer muß nach Zions Höhen reisen.


Pietsch gleichfalls, wenn er die Beschaffenheit des kaiserlichen Heeres bey Belgrad beschreibt:

Der Adler wacht indeß auf einem sichern Hügel,
Und streckt mit reger Kraft die ausgedehnten Flügel
Vor seiner Wohnung aus, um die er anfangs schwebt
Eh ihn der volle Flug aus seinen Grenzen hebt.
Bald schießt er schnell herab, wenn er den Drachen findet,
Der sich, auf seinen Stoß um seinen Schnabel windet,
Doch den verdrehten Balg hält seine Klaue fest,
Bis er ihn abgestreift im Blute liegen läßt,
Als Sieger in den Kreis des fernen Mondes steiget,
Und seinen Donnerkeil den blassen Hörnern zeiget.


11. §. Es muß aber eine gute Metaphore oder Allegorie I) eine wahre Aehnlichkeit in sich haben, die in den Sachen und nicht in bloßen Worten anzutreffen ist, Z.E. Wenn ich den Himmel ein Engelland nennen wollte, so wäre es nichts: denn hier käme es bloß auf das Wort Engel an. Z.E. Neukirch hat in dem vortrefflichen Gedichte auf die Königinn in Preußen, Charlotte, dieses Wortspiel gebraucht, indem er den König Friedrich so redend einführet:


Und wer bewundert nicht das, was du jüngst gesprochen?
Mein Kronprinz, war dein Wort, beschloß vor wenig Wochen,
Nach Engeland zu gehn; doch seht, er läßt es seyn,
Und seine Mutter geht ins Land der Engel ein.


Ich weis aber zu seiner Entschuldigung nichts mehr zu sagen, als daß dieses vielleicht in der That ein Einfall des Königs selbst gewesen seyn muß: daher der Poet ihn denn auch dem Könige in den Mund gelegt hat; um demselben die Ehre der Erfindung nicht zu rauben. Und spricht er gleich, daß man dieses Wort des Königes bewundere: so glaube ich doch nicht, daß ihm dasselbe so schön vorgekommen sey, weil er selbst nirgend dergleichen angebracht. Aber an manchem großen Herrn, ist in solchen Dingen oft etwas ein Wunder, welches man auch an einem Schüler nicht dulden würde. Doch ich besinne mich, daß auch Neukirch von Wortspielen so frey nicht gewesen, als er wohl hätte seyn sollen. Z.E. in dem Gedichte auf die geschützten Nachtigallen, heißt es:

Denn sprach er, was man itzt im Kriege großes schaut,
Ist, daß uns Friedrich Fried, Ehr und Reich erbaut.


wiewohl ich dieses schon in dem vorigen Capitel hätte anführen sollen. Wenn aber Canitz schreibt: Sein Hof wird ihm ein Hof etc. So vergleicht er wirklich den Rittersitz eines Landjunkers, mit einem Hofe, und dieses ist also kein Wortspiel zu nennen.
12. §. II) Muß sie nicht von solchen Dingen hergenommen seyn, die eine Sache verächtlich oder lächerlich machen können; es wäre denn, daß man mit Fleiß satirisch schreiben wollte. Cicero z.E. tadelt einen Scribenten, weil er gesagt hatte, durch den Tod Catons wäre die Republik entmannet oder verschnitten worden. III) Muß das Gleichniß nicht gar zu weit hergesucht seyn, so, daß man es leicht verstehen kann. Aristoteles verwirft in dieser Absicht den Ausdruck eines alten Poeten, der den Xerxes einen persianischen Jupiter genennet hatte. Und dahin könnte man die pralerischen Metaphoren der portugiesischen Redner rechnen, die in dem II. Theil der vern. Tadlerinnen XL. St. angeführet worden, wie auch unzähliche im Milton und seinen Nachahmern. Endlich IV) müssen die Metaphoren, so viel möglich, alles sinnlicher machen, als es im eigentlichen Ausdrucke seyn würde. Daher dienen alle die Redensarten und Wörter sehr, die das Gesicht, das Gehör, das Gefühl, den Geruch und Geschmack angehen. Vor allen Dingen aber sind die sichtbaren Dinge sehr geschickt, lebhafte Metaphoren zu geben. Die oben schon so häufig angeführten Exempel können dieses sattsam erweisen. Es ist aber auch an sich selbst leicht zu begreifen: denn die Einbildungskraft bringt die Begriffe desto klärer hervor, je stärkere Eindrückungen man davon sonst gehabt. Nun wirken aber die meisten Sinne sehr stark in die Seele; sonderlich aber wirkt das Gesicht bey Empfindung des Lichts und der Farben sehr klare, von Figuren und Größen aber auch deutliche Begriffe. Ein Wort also, welches dahin gehöret, kann auch eine unsichtbare Sache gleichsam sichtbar machen, wenn es in verblümtem Verstande dazu gebrauchet wird.
13. §. Die andere Art verblümter Reden, ist die Metonymie, welche man mit dem Longolius ein Namenlehn nennen könnte. Man setzet aber dar inn entweder die Ursache, und meynet die Wirkung derselben: als wenn ich einen Scribenten für seine Schriften nenne:

Der reiche Seneca an Witz und an Vermögen,
Der schlaue Tacitus, und was noch ist zugegen,
Muß allzeit um mich seyn.

Opitz.


Oder umgekehrt, die Wirkung für die Ursache, als wenn ich den Pan die Furcht der Nymphen nennte:

Phyllis schickt Silvanen Kränze,
Alle Nymphen führen Tänze,
Ihre Furcht, der geile Pan,
Geht nicht minder stets im Reihen etc.

Dach.


Oder die Hauptursache an statt eines Nebendinges: und zwar erstlich, das Behältniß für das Enthaltene, als wenn ich den Helikon setze, und die Musen meyne.

Der ganze Helikon ist schon um diese Zeit,
Um seine Bücher her, und dichtet allbereit,
Das, was man rühmen muß.

Flemming.


Zweytens der Besitzer an statt seines Eigenthums, als wenn man den Phöbus an statt der poetischen Triebe setzt, die ihm angehören.

Phöbus ist bey mir daheime,
Diese Kunst der deutschen Reime,
Lernet Preußen erst von mir etc.

Dach.


Drittens, der Feldherr für seine Soldaten, als wenn man sagt, der Kaiser wird geschlagen, da es doch die Soldaten sind.

Hier möchte man gedenken,
Das Glücke hätte dir Ergetzung sollen schenken,

Und Rast nach solcher Müh: allein es saget Nein!
Der Kaiser von Byzanz muß auch geschlagen seyn.

Opitz.


Viertens, das Zeichen für die bezeichnete Sache, als wenn man den Zepter nennt, und ein Königreich meynt.


Bleibt Friedrich nur gesund, und hat sein Zepter Segen,
Was ist mir an Namur und Pignerol gelegen?

Canitz.


Fünftens, die Sachen in der Zeit, an statt der Zeit selbst, als wenn man den Mondwechsel für die Monate setzt:

Neunmal hat nun Phöbe gleich,
Ihre Hörner eingezogen,
Und die Nächte blind gemacht,
Seit sie dir gab gute Nacht,

Flemming.


Oder man setzt ein Nebending an statt der Hauptsache, und da zwar erstlich das Enthaltene für das Behältniß. Z.E. der Ort, wo man der Fürsten Gnade sucht, für den Hof.

Jedennoch, wenn du dir und auch zugleich den deinen,
Willst mehr zu gute thun, so mußt du da erscheinen,
Wo man der Fürstenhuld, (weil doch des Höchsten Schluß
Sie groß, uns klein gemacht,) in Demuth suchen muß.

Canitz.


Zweytens, das Zeichen für das Bezeichnete, als wenn man, die Schamhaftigkeit zu beschreiben, sagte, den Hut in die Augen drücken.

Du darfst, o freyer Held, den königlichen Hut
Nicht in die Augen ziehn: Wohin man itzo siehet,
Da sieht man auch dein Lob.

Opitz.


Drittens, die Zeit, für das, was darinn geschieht, zum Exempel für die schlechten Poeten, die darinn leben:

Wie manchmal zürn ich nicht mit unsrer armen Zeit,
Die itzt fast gar nicht mehr der Nachwelt Urtheil scheut.

Günther.


Viertens die Tugend oder Laster, anstatt der Leute, die sie ausüben, z.E. der Neid für die Neider.

Der Neid vergiftet zwar das allerschönste Haus,
Und die Verläumdung sticht die angenehmsten Früchte.

Gryphius.


Fünftens, die Gemüthsregung anstatt ihres Gegenstandes; als wenn man einen frölichen Tag seine Freude nennt:

Preis der Tage, Wunsch der Frommen,
Meine Freude, sey willkommen!

Dach.


Sechstens, das vorhergehende für das Nachfolgende, z.E. wenn ich sagte, bis die Sonne untergeht; anstatt zu sagen; bis es Nacht wird.

Bis der Gott der güldnen Gluten,
Der die braunen Mohren brennt,
In die hesperischen Fluthen,
Freygelaßnes Zügels rennt.

Flemming.


Siebentens, das nachfolgende anstatt des vorhergehenden, z.E. die warme Frühlingsluft, für das, was darauf erfolget.

Die erfreuten Heerden springen,
Das verlebte Jahr wird jung,
Die gelehrten Vögel singen,
Wald und Feld ist auf den Sprung.
Und die Schooß der alten Erden,
Will aufs neue schwanger werden.

Flemming.


14. §. Die dritte Gattung verblümter Redensarten heißt Synekdoche, auf deutsch nach Longolii Benennung ein Auszug: diese hätte gar leicht unter der Metonymie können begriffen werden, wenn es nicht unsern Vorfahren anders gefallen hätte. Sie ist wiederum vielerley, denn man setzt entweder das Ganze für den Theil; z.E. die Welt für ein kleines Land in derselben.

Ihr, die des Höchsten Rath bestimmt,
Der Welt mit Stahl und Bley zu dienen,

Günther.


Oder den Theil fürs Ganze, als wenn ich den Hals für die ganze Person setze.

Er hat daselbst bekannt,
Du hättest seinen Hals und Ehr in deiner Hand.

Opitz.


Oder eins für viel: Als z.E. ein Sinn, wenn von vielen Personen die Rede ist, die doch viel Sinne haben.

Andre werden sich befleißen,
Die ein größrer Sinn erhöht,
Welchen Phöbus näher geht,
Als mir abgelegnem Preußen etc.

Dach.


Oder viel für Eins. Z.E. Die Lüfte für die Luft.

Die gestirnten Lüfte scherzen,
Tausend Kerzen,
Tausend lichte Fackeln stehn.

Flemming.


Oder eine gewisse Zahl für die Ungewisse. Z.E.

Wenn du, großer Siegesfürst!
Hunderttausend Cherubinen,
Zu Gefährten haben wirst,
Werden dir die Feinde dienen.

Chr. Gryph.


Oder eine sogenannte volle Zahl, für eine größere oder kleinere. Zum Exempel:

Thu, o Churfürst, nach Belieben,
Such in Hufen, zehnmal sieben?
Nein! auch zwanzig nicht einmal.
Andre mögen nach Begnügen
Auch mit tausend Ochsen pflügen,
Mir ist gnug ein grünes Thal.

Dach.


Oder etwas viel größeres für das kleinere, welche Art man Hyperbole nennet. Z.E. Wenn man die Thränen einen Bach nennet:

Betrachte nur den Thränenbach,
Worinn das Herz der Aeltern schwimmet:
Wo noch in dir Erbarmung glimmet,
So gieb doch ihren Seufzern nach.

Amthor.


Das ist nicht genug. Eben derselbe bedient sich dieser Vergrößerung noch kühner, wenn er in demselben Gedichte an ein verstorbenes junges Frauenzimmer den ganzen Belt toben läßt. Er redet den Tod an;

Schau, wie der Belt beginnt zu toben,
Daß du solch einen theuren Stein,
Zu seiner Nymphen höchster Pein,
Aus ihrer Krone weggeschoben.


Hier könnte es leicht seyn, daß diese Vergrößerung einigen gar zu verwegen vorkäme. Denn was will man auf eine Prinzessin größeres sagen? Zugeschweigen, daß man nicht sieht, was das für eine Krone der Nymphen gewesen, darinn die Todte einen Edelgestein abgegeben? Die Allegorie ist nicht gar zu richtig.
15. §. Ueberhaupt aber geht man in Vergrößerung der Dinge gemeiniglich zu weit, und überschreitet dadurch die Regeln der Klugheit. An Malherben hat schon Bouhours eine sehr unerträgliche Vergrößerung der Thränen Petri getadelt, die ich, ihrer Seltsamkeit halber, aufs allergenaueste übersetzt habe, und hier mittheilen will.

Da hub sich sein Geschrey gleich als ein Donner an,
Sein Seufzen war ein Sturm, der Eichen fällen kann,
Und die gelinde Fluth von den vergoßnen Zähren,
Verglich sich einem Strom, der von den Bergen läuft,
Die Felder überschwemmt, ja Dorf und Stadt ersäuft,
Und fast die ganze Welt in eine See will kehren.


Wer nun dieses nicht für ausgeschweift erkennen will, der muß in der That nicht viel Nachsinnen oder Geschmack von einer Sache haben. Opitz hat uns diese Art hochgetriebener Vergrößerungen in der Sprache eines schmeichlenden Buhlers lächerlich zu machen gesucht, den er auf der 161. S. im IV. B.s. poet. W. so entwirft. Er redet ein Frauenzimmer an:

Sie thun wohl einen Eid, wiewohl nicht ohne Lachen,
Daß eure Augen auch die Sterne finster machen,
Und daß sie heller sind denn alles Firmament,
Ja daß die Sonne selbst auch nicht so heftig brennt.
Sie schweren hoch und sehr, daß Gott euch auserlesen,
Vor aller Zierlichkeit und allem schönen Wesen,
Und sagen: selig sey das Jahr und denn die Zeit,
In der ihr, große Zier der Welt! gebohren seyd.
Sie sprechen wohl dabey, daß ihr mit euren Blicken,
Ein härter Herz als Stein vermöget zu entzücken.
Daß aus America die beste Spezerey,
Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen sey.
Daß solche Hände nicht gemalet werden könnten,
Daß gegen ihnen, Schnee zu gleichen sey der Tinten;
Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant,
An welchen die Natur all ihre Kunst gewandt;
Und daß die Lippen auch, die mehr als Rosen blühen,
Weit weit den edelsten Corallen vorzuziehen;
Und daß der starke Mars durch eurer Zungen Schein,
Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.
Beliebt es euch hernach von Venus was zu singen;
Die Winde könnet ihr mit eurer Stimme zwingen:
Und wenn ihr weiter euch auch zu der Lauten findt,
Ist Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kind.
Wenn ihr im Felde seyd, wohin man euch sieht gehen,
Da sieht man alsobald die schönsten Blumen stehen.
In Summa, die Natur hat dieß an euch gethan,
Daß eure Trefflichkeit kein Mensch beschreiben kann.
Wie möcht ich aber wohl so falsch erdachtes sagen,
Und die Aufschneiderey mit Langmuth nur ertragen?
Ich glaube, welcher sich nimmt solcher Lügen an,
Der Feder und Papier auch schamroth machen kann.


Was Opitz hier in der verliebten Sprache für unerträglich gehalten, das hat Canitz in der Beschreibung des Kriegeswesens, und in den Klagen der Verstorbenen, als einen Fehler angemerkt. In seiner Satire von der Poesie heißt es:


Fällt das geringste vor in diesen Kriegeszeiten,
So dünkt mich, hör ich schon die Wetterglocke läuten.
Ein Flammenschwangrer Dampf beschwärzt das Luftrevier,
Der stralbeschwänzte Blitz bricht überall herfür,
Der grause Donner brüllt und spielt mit Schwefelkeilen.
Der Leser wird betrübt, beginnet fortzueilen,
Bis er ins Trockne kömmt; weil doch ein Wolkenguß,
Auf solchen harten Knall nothwendig folgen muß,
Und läßt den armen Tropf der Welt zur Strafe reimen,
Wie ein Beseßner pflegt in seiner Angst zu schäumen.
Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab,
Mein Gott! wie rasen nicht die Dichter um sein Grab?
Der Tod wird ausgefilzt, daß er dem theuren Leben,
Nicht eine längre Frist als achtzig Jahr gegeben.
Die Erde wird bewegt, im Himmel Lärm gemacht,
Minerva, wenn sie gleich in ihrem Herzen lacht,
Auch Phöbus und sein Chor, die müssen wider Willen,
Sich traurig, ohne Trost, in Flor und Boy verhüllen.
Mehr Götter sieht man oft auf solchem Zettel stehn,
Als Bürger in der That mit zu der Leiche gehn.


16. §. Mit der Verkleinerung, (Litote oder Tapeinosis) ist es eben so bewandt. Sie sagt allemal weniger, als in der That wahr ist; doch so, daß sie dadurch in keinen Irrthum stürzet. Z.E. Günther beschreibt seine Armuth so:

Ich darf mich ohnedas voritzo nicht beschweren,
Als ließen Tisch und Schlaf mich wenig Zeit entbehren.
Fünf Bissen in den Mund, so ist die Tafel gar;
Die Glieder auf die Bank, das Halstuch um das Haar,
So bin ich in dem Bett und völlig ausgezogen.
Die Hüfte glaubt es nicht, doch wird sie oft betrogen.


Die Synekdoche setzt auch wohl zuweilen die ganze Art eines Dinges für eine besondere Gattung desselben. Z.E. Das Licht überhaupt für die Sonne:

Willkommen, schönes Licht!
Das aus dem Himmelspunct der Abyssinen
In Nordens kalten Zirkel bricht.
Kaum war dein heißer Stral bey uns erschienen etc.

Amthor.


Oder die besondre Gattung für die ganze Art. Z.E. Wenn ich Mandeln und Muscaten statt aller andern Leckerbissen setzte:

Wiewohl ein solcher Held, der nur sein theures Blut,
Zum Aderlassen spart, nicht große Wunder thut;
Und wenn ihm nichts gefehlt als Mandeln und Muscaten
Wohl eh aus Blödigkeit hat Stadt und Land verrathen.

Canitz.


Auf eben die Art setzt man zuweilen die Namen gewisser Personen, anstatt allgemeiner Benennungen solcher Leute. Welche Art nebst der folgenden eine Antonomasie heißt. Z.E.

Geh Breßlau! denke nach, was der Verlust bedeute,
Dein Piccart, dein Galen, dein Kepler, dein Caßin,
Dein Galileus stirbt. Dieß, was gelehrte Leute
Für deinen Schmuck geschätzt, ist leider itzt dahin.

Gryph.


Oder man braucht anstatt der eigenen Namen gewisser Dinge die allgemeine Benennung, die sich für sie schickt. Z.E. Wenn man ein Pferd meynte, und ein Vieh nennte.

Versuchs, gieb ihm ein Amt, sechs Viehe vor den Wagen,
Und sechse hinten drauf; sieh, was er dann wird sagen.

Heräus.


Imgleichen wie Canitz einen Weisen nennet, und den Horaz meynt, dessen Vers, BEATUS ILLE QUI PROCUL NEGOTIIS, er anführt:

Ja, sprichst du folge dem, was jener Weise schreibt:
Wohl dem, der weit entfernt von fremden Händeln bleibt etc.


17. §. Endlich kömmt noch die vierte Gattung verblümter Redensarten, die man die Ironie oder Verspottung zunennen pflegt. Man saget darinn gerade das Gegentheil dessen, was man denket; doch so, daß der Leser aus dem Zusammenhange leicht begreift, was die wahre Meynung ist. Z.E.

Bey einem Hochzeitmahl, da kommen oft geflogen
Des künstlichen Papiers bis vier und zwanzig Bogen:
Ein schöner Vorrath traun! besonders zu der Zeit
Wenn etwa Heu und Stroh nicht gar zu wohl gedeiht.

Rachel.


Zuweilen wird die Ironie sehr heftig, und bekömmt alsdann den Namen Sarkasmus oder Diasyrmus; nachdem sie nämlich gegen Todte oder Lebendige ihren beißenden Hohn ausstößt. Z.E. Opitz spottet des Glückes, im Absehen auf die Standhaftigkeit des Ulysses dergestalt:

Du kannst, Fortune, ja den werthen Helden zwingen,
Hinab ins tiefe Meer, bis an den Hals, zu springen:
Du kannst ja wider ihn vermischen Luft und Flut,
Kannst fordern, wenn du willst, sein Leben, Gut und Blut!
Daß aber er vor dir die Knie auch solle beugen,
Viel weinen, kläglich thun, sich wie ein Weib bezeigen,
Sein Leben, seine Zeit verdammen für und für,
Sein Herze lassen gehn; das stehet nicht bey dir!


Hierher gehört auch die spöttische Wiederholung der Worte seines Gegners, die sonst Mimesis, oder das Nachspotten genennet wird. Z.E. In des Sophokles Antigone spricht Kreon mit seinem Sohne Hämon, nach Opitzens Uebersetzung:


KREON.
Und ist denn dieß nicht recht, wenn ich mein Reich will ehren?

HÄMON.
Schön ehren! denn du greifst der Götter Ehr itzt an.

Und bald darauf:

KREON.
Willst du durch Drohen mich noch mehr und mehr erherben?

HÄMON.
Was Drohen? wo man Rath und That nicht will verstehn.


18. §. Das wären nun die hauptsächlichsten Gattungen und Arten, der gewöhnlichen verblümten Redensarten, wodurch die poetische Schreibart, sowohl als die ungebundne, einen besonderen Glanz und eine ausnehmende Schönheit bekömmt. Doch kann man leicht denken, daß dieselben, nach Beschaffenheit der Materien und besondern Umständen, allerley verschiedene Gestalten annehmen; so daß sie auch zuweilen ganz eigene Namen bekommen. Der Witz der Dichter ist sehr unterschieden, und seine Geburten sind es nicht minder. Hat nun gleich ein Dichter in diesem Stücke eine etwas größere Freyheit, als ein Redner oder Geschichtschreiber; welche ihm deswegen zukömmt, weil er gleichsam in einer Begeisterung, oder aus Eingebung der Musen redet: so muß er doch die gesunde Vernunft dabey niemals aus den Augen setzen. Nicht alle verblümte Redensarten lauten in klugen Ohren schön, und man kann zuweilen gar nicht sagen, warum dieses oder jenes so anstößig klinget. Darinn zeiget sich aber hauptsächlich der gute Geschmack eines Poeten, daß er eine geschickte Wahl unter den poetischen Ausdrückungen zu machen wisse, die ihm seine erhitzte Einbildungskraft an die Hand giebt. Man kann auch nicht eine jede verblümte Redensart in allen Gattungen der Gedichte brauchen. Was im Schäfergedichte schön ist, das schickt sich in ein Heldengedichte nicht: und was in einer erhabnen Ode ungemein klinget, das wird für Satiren, Briefe und Elegien viel zu prächtig seyn. Die tragische Schreibart geht fast immer auf Stelzen, d.i. sie redet fast durchgehends verblümt: die comische hergegen geht barfuß, ich meyne, sie braucht die gemeine Sprache der Bürger; doch nach Beschaffenheit ihrer besonderen Charactere. Alle diese allgemeine Regeln werden in dem andern Theile weitläuftiger ausgeführt vorkommen.
19. §. Nichts aber ist bey der verblümten Schreibart mehr zu vermeiden, als die Dunkelheit. Gewisse Leute verstecken sich in ihren Metaphoren so tief, daß sie endlich selbst nicht wissen, was sie sagen wollen. Man sieht alle ihre Gedanken nur durch einen dicken Staub oder Nebel. Der klärste Satz wird durch ihren poetischen Ausdruck verfinstert: da doch der Gebrauch verlümter Reden die Sachen weit lebhafter vorstellen und empfindlicher machen sollte. Nicht nur im vorigen Jahrhunderte hat die marinische Schule den dunkeln Wust in die Dichtkunst gebracht; sondern auch itzo will uns die miltonische Secte von neuem überreden: Nichts sey schön, als was man kaum verstehen, oder doch mit vielem Nachsinnen und Kopfbrechen kaum errathen kann. Es ist wahr, daß Unverständige zuweilen eine so blendende Schreibart destomehr bewundern, je weniger sie dieselbe verstehen: allein Kenner gehen auf den Kern der Gedanken, und wenn derselbe gar nicht, oder doch kaum zu errathen ist, so schmeißen sie ein solch Gedichte beyseite. Sonderlich thun sie dieses, wenn gar, über den schwülstigen Ausdrückungen, die Sprache Noth leidet, welches oft zu geschehen pfleget. Denn manchen vermeynten schönen Gedanken anzubringen, nehmen sich die Herren Poeten die größten Freyheiten, wider alle Regeln der Sprachkunst, und einer reinen Mundart. Ich schließe daher diese Regel mit des Boileau Worten. ART. POET. CH. I.

IL EST CERTAINS ESPRITS, DONT LES SOMBRES PENSÉES
SONT D'UN NUAGE ÉPAIS TOUJOURS EMBARASSÉES;
LE JOUR DE LA RAISON NE LES SAUROIT PERCER:
AVANT DONC QUE D'ECRIRE, APRENEZ À PENSER!
SELON QUE NOTRE IDÉE, EST PLUS OU MOINS OBSCURE,
L'EXPRESSION LA SUIT OU MOINS NETTE OU PLUS PURE.
CE QUE L'ON CONÇOIT BIEN S'ENONCE CLAIREMENT,
ET LES MOTS, POUR LE DIRE, ARRIVENT AISEMENT.


20. §. Auf die Menge verblümter Redensarten, und die ungeschickte Vermischung derselben in einer Schrift, kömmt hauptsächlich derjenige Fehler der poetischen Schreibart an, den man das Phöbus oder den Schwulst zu nennen pflegt. Die Franzosen haben diesen Namen einer schwülstigen Art des Ausdruckes, so viel mir wissend ist, zuerst beygelegt, und die Engelländer nennen dieselbe einen Bombast. Es scheint die Benennung der erstern ihren Ursprung hauptsächlich von dem Misbrauche zu haben, vermöge dessen manche Poeten, auch bey den schlechtesten Dingen, die Vergleichungen von der Sonne herzunehmen pflegen. Der scharfsinnige Bayle hat diese böse Gewohnheit in seinen Briefen³ sehr sinnreich durchgezogen. Er merkt aus der Historie von der Stiftung der königlichen großbrittannischen Societät der Wissenschaften an, daß man daselbst von der Arbeit ihrer Mitglieder in der Naturwissenschaft, auch den Rednern und Dichtern den Vortheil versprochen, daß sie künftig auch von den Pflanzen und Mineralien ihre Vergleichungen würden hernehmen können; und daß die Sonne endlich zur Ruhe kommen würde, nachdem sie allein, so viel in den Gleichnissen hätte ausstehen müssen. Allein er setzet hinzu, dieses sey eben nicht zu hoffen, und die Sonne würde, dem ungeachtet, wohl die große Vorrathskammer der Gleichnisse bleiben. Die Poeten und alle Urheber verliebter Seufzer würden lieber sterben, als in diesem Stücke ihre Gewohnheit ändern wollen. Dieses wäre nun einmal das Schicksal dieses schönen Gestirnes, daß man allerley Arten der Leute auf seine Unkosten lobete: so gar, daß auch wohl übelberüchtigte Buhlerinnen ein Verlangen darnach trügen. Davon er aus dem Theophile ein Sinngedichte anführt:


CETTE FEMME, QUI M'IMPORTUNE
VEUT QU'ON LA COMPARE AU SOLEIL:
IL EST COMMUN, ELLE EST COMMUNE,
CEST TOUT CE, QU'ILS ONT DE PAREIL:


21. §. Mit diesem Fehler der hochtrabenden Schreibart ist sehr nahe, das von vorerwähnten Nationen sogenannte Galimatias, oder Nonsens verwandt, welches nichts anders ist, als eine ungereimte und unverständliche Vermischung widereinanderlaufender verblümter Redensarten, aus welchen es zuweilen unmöglich ist, einen Verstand herauszubringen. Von unsern Deutschen hat, wie mich dünkt, Christian Gryphius zuerst den Uebelstand dieses Fehlers an unsern Poeten, sonderlich seinen eigenen Landesleuten, Hofmannswaldau und Lohenstein, wahrgenommen: und die Quellen desselben in der Nachäffung der Italiener und Spanier gefunden.
Gryphius unterscheidet aber hier mit großem Verstande die alten Italiener von den neuern, und diese von den Franzosen. Petrarcha ist bey dem guten Geschmacke der alten Römer und Griechen geblieben; und ihn hat sich Opitz unter andern zum Muster genommen. Tasso und Guarini hielten sich noch ziemlich auf der alten Spur, und ob sie wohl schon viel von ihren Concetti oder gleißendem Flittergolde einstreueten: so blieb doch das meiste in ihren Gedichten gut und untadelich. Ariost aber und Marino sind von der guten Art ganz und gar abgewichen: wie nicht nur Bouhours in seiner MANIERE DE BIEN PENSER DANS LES OUVRAGES D'ESPRIT in vielen Exempeln gewiesen; sondern auch Herr König in seiner Untersuchung vom guten Geschmacke bey den canitzischen Gedichten ausführlich dargethan hat. Diese marinische Schule nun hat auch in unseren Vaterlande viel Anhänger gefunden, und das hat Gryphius in der angezogenen Stelle schon bedauret.
22. §. Doch auch aus den Spaniern ist dieses Verderben einigermaßen herzuleiten, so, wie schon in Rom durch den Lucan und Seneca, der gute Geschmack des güldnen Alters sich verderbet hat. Gratian ist im vorigen Jahrhunderte durch die hochtrabende Art seiner Schriften ein solcher Verführer der witzigen Köpfe geworden. Denn ob er gleich nur in ungebundner Rede geschrieben, so hat er doch in seinen Schriften, z.E. in dem Criticon, einen ausschweifendern Witz gewiesen, als unzähliche Dichter gehabt haben. Daß Lohenstein einen besondern Geschmack an demselben gefunden, zeiget der staatskluge Ferdinand desselben, den er ins Deutsche übersetzt, und in seinen übrigen Schriften nachgeahmet hat. Will man ein Exempel von seiner Art haben, so lese man nur das Gedichte auf den Tod And. Gryphii, von der Höhe des menschlichen Geistes, darinn er fast allen seinen Witz und alle seine Einbildungskraft verschwendet hat. Doch ein paar Strophen sollen uns zur Probe dienen, wie diese Schreibart aussieht. So hebt er an:

Wohin hat sich der Geist der Menschen nicht geschwungen,
Die kleine Welt reicht hin, wie weit die große gränzt:
Denn ist der spröde Leib gleich nur von Dohn entsprungen
So sieht man doch, daß Gott aus diesen Schlacken glänzt.
Daß itzt was himmlisches beseele das Gehirne,
Der Ursprung sey von Gott, das Wesen vom Gestirne.

Die Sonne der Vernunft, das Auge des Gemüthes
Macht uns zu Herrn der Welt, zu Meistern der Natur.
Der Panther dämpft für ihr das Schäumen des Geblüthes,
Sie nimmt der Schlang ihr Gift, durch einen kräftgen Schwur.
Sie lehrt uns Drachen kirrn, und auf den Löwen reiten,
Die Adler übereiln, und Crokodilln bestreiten.

Er müht sich Gottes Werk und Wunder nachzuäffen,
Es theilt ein Dädalus mit Flügeln Luft und Wind;
Bachan kann in der Luft Gewölk und Regen schaffen:
Albert ein redend Haupt, Camill ein lechzend Kind.
Archytas lehrt aus Holz geschnitzte Tauben fliegen,
Und Bertholds Büchse will für Blitz und Donner siegen.

Die Elemente selbst sind Mägde des Verstandes etc.


23. §. Dieß ist nun ein rechtes Meisterstück, durcheinander gewirrter Metaphoren und anderer übelausgesonnener, verblümter Ausdrückungen; kurz, ein rechtes Galimatias, mit etlichen Phöbus durchflochten. Nichts destoweniger hat sich unser Vaterland, eine geraume Zeit her, in dergleichen gefirnißte Verse aufs äußerste verliebt gehabt: und man hat keinen für einen Poeten halten wollen, der nicht diese hochtrabende Sprache reden können, die doch oft weder der Verfasser, noch seine Leser, mit allen ihren Sinnen haben erreichen können. Ein rechter Held aus der lohensteinischen Schule, war auch in meinem Vaterlande nur vor wenigen Jahren noch, der seiner Musik wegen berühmte Capellmeister Neidhard, ein gebohrner Schlesier, der durch seine übersteigende Schreibart unzählige Leute eingenommen, und viel junge Leute verführet hatte; wie ich schon oben angemerkt habe. Es kann nicht schaden, eine Probe davon hieher zu setzen, die mehr als irgend etwas einen Abscheu davor erwecken kann. Dieß Gedichte ist 1710 auf D. Wenzeln gemacht, und hebt an:

Der Witz des Alterthums, aus dessen reicher Pracht,
Die jüngern Gold und Bley zu Doctorringen stehlen,
Hat auch aus weiser Kluft den Ring herausgebracht,
Den Ruhm der Sterblichen der Nachwelt zu vermählen.
Man wusch den todten Leib in einer Balsamsee,
Und meynte so den Zahn der Fäulniß zu zerreiben:
Man wollte That und Lob den Steinen einverleiben,
Und thürmte deren Rumpf fast an die Wolkenhöh.
Die meisten spitzten sich den Griffel kluger Schriften,
Den Todterblaßten Ruhm, sich selbsten Dank zu stiften.

Doch weil der Glieder Bau, des Marmors Silber-Grieß,
Der Blätter leichten Zeug die Zeiten niederlegen:
So suchte man dabey, Held, Waffen, Schild und Spieß
Der hellsaphirnen Burg des Himmels einzuprägen.
Drum schimmert Herkules, Alkmenens Götterkind,
In einer Heldentracht von acht und zwanzig Sternen,
Und lässet auch ein Kind aus seinen Stralen lernen,
Daß Klug- und Kühnheit Gold, zu Ehrenkleidern spinnt.
So wird sein Ehrenruf bey heitrer Nacht verjunget,
So oft sich TeEus Ball um seinen Kreispunct schwinget etc.


So ist nun das ganze ziemlich lange Gedichte mit unendlich vielen weitgesuchten und übereinander gehäuften Metaphoren und Allegorien durchwirkt und vollgestopft, daß es bloß um der Seltenheit halber werth wäre, wieder aufgelegt zu werden.
24. §. Damit es meiner Abhandlung aber doch nicht an allen Exempeln von neuern Blümchen fehlen möge: so will ich dieselben aus einem neuern, zu Altdorf, nur im 1727. Jahre gedruckten Bogen entlehnen; weil ich in demselben alles beysammen finde, was ich sonst mit vieler Muhe würde zusammen suchen müssen. Folgende Redensarten nun, halte ich für lauter Phöbus, wenn der Poet schreibt: Titans frohes Licht strale mit neuen Blitzen, und mache die sapphirne Burg zu Hiacinthen. Ein Trauriger heißt ihm ein solcher, der Aegyptens finstre Nacht statt Gosens Sonne küsset. Die Lilie lacht mit reinstem Silber; ihr bemilchter Thron macht die Perlen schamroth, und ihr Atlas sinkt ins Verwe sungsreich. Auf den Blättern der Blumenköniginn, die von Cytherensblut den Ursprung haben soll, blühet Rubin und Purpur. Die klare Luft schneyt ambrirte Perlen. Man soll uns einst in Edens güldnen Auen mit buntgefärbtem Pracht, als helle Sterne schauen, u.d.m. Das Galimatias will ich aus dem Schlusse dieses Gedichtes hernehmen, und da es Gryphius wohl ein Mischmasch genennet hat: so will ich einen jeden fragen, ob man wohl mehr verschiedene Dinge in 16 Zeilen hätte durcheinander mengen, oder dem Scheine nach mit einander reimen können, als dieser Poet wirklich gethan hat? Denn da finde ich Canaan, güldne Blumen, Titans Stralen, der Thetis Wellen, Wetter, Orcan, Purpur, Regengüsse, Schmuck, Lenz, Sonne, schmaragdne Felder, Perlenwasser, Schnee und Eis, holde Blumen, Rosenblut, Frost, Dornen, bittre Aloe, der Myrrhen herbes Pech, öde Coloquinten, das gelobte Land des Himmels, Nesseln, die Sternenhöhe, Zuckerbrodt, Ambrosin, Nectar, diamantne Auen, Honigseim und Alicant, ja damit nichts vergessen würde, so kommt zuletzt auch Ambra und Zibeth noch nach. Wir müssen nunmehro die Stelle selbst sehen.

Hier ist das Canaan, das güldne Blumen trägt,
Wo Titans Stralen nie in Thetis Wellen steigen.
Kein Wetter, kein Orcan darf ihren Purpur bleichen.
Hier ist kein Regenguß, der ihren Schmuck zerschlägt.
Hier ist kein solcher Lenz, der bald die Sonne zeigt,
Und das schmaragdne Feld mit Perlenwasser tränket,
Bald aber Schnee und Eis statt holder Blumen schenket,
Hier wird der Rosenblut durch keinen Frost gebleicht.

Von Dornen weis man nichts; die bittre Aloe,
Der Myrrhen herbes Pech, die öden Coloquinten,
Sind im gelobten Land des Himmels nicht zu finden,
Die Nesseln sind verbannt von dieser Sternenhöh.
Hier ist nur Zuckerbrodt und süßer Ambrosin,
Der Nectar fließet hier durch diamantne Auen,
Hier ist nur Honigseim und Alicant zu schauen,
Weil Ambra und Zibeth die Blumen überziehn.

25. Das beste Mittel wider den schwülstigen Geist, ist das Lesen der alten Lateiner und der neuern Franzosen. Wer sich die Schönheiten des Terenz, Virgils, Horaz und Juvenals, bekannt und geläufig gemacht hat; wer den Boileau, Racine, Corneille und Moliere mit Verstande gelesen, und ihre natürliche Schönheit der Gedanken kennen gelernet; wer endlich den Longin vom Erhabenen, Bouhours von der Art in sinnreichen Schriften wohl zu denken: und Werenfels, (DE METEORIS ORATIONIS) des POPE ART OF CRITICISM, und den deutschen Antilongin mit Bedacht gelesen hat; der wird gewiß unmöglich auf eine so seltsame Art des poetischen Ausdruckes verfallen: gesetzt, daß er noch so erhaben zu schreiben gesonnen wäre.



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Fußnoten

¹ NON SATIS EST PURIS VERSUM PERSCRIBERE VERBIS,
QUEM SI DISSOLUAS, QUIUIS STOMACHETUR. & C.
HIS, EGO QUAE NUNC;
OLIM QUAE SCRIPSIT LUCILIUS, ERIPIAS SI
TEMPORA CERTA MODOSQUE, & QUOD PRIUS ORDINE VERBUM EST.
POSTERIUS FACIAS, PRAEPONENS ULTIMA PRTMIS,
NON VT SI SOLUAS: POSTQUAM DISCORDIA TETRA
BELLI FERRATOS POSTES PORTASQUE REFREGIT;
INVENIES ETIAM DISIECTI MEMBRA POETAE.

² PRIMUM EGO ME ILLORUM, DEDERIM QUIBUS ESSE POETAS,
EXCERPAM NUMERO; NEC ENIM CONCLUDERE VERSUM,
DIXERIS ESSE SATIS; NEQUE SI QUIS SCRIBAT VTI NOS,
SERMONI PROPIORA, PUTES HUNC ESSE POETAM.
INGENIUM CUI SIT, CUI MENS DIUINIOR, ATQUE OS
MAGNA SONATURUM, DES NOMINIS HUIUS HONOREM.


³ T. I. p. 32. 33.34.

Ich weis wohl, schreibt er, daß viele unsrer Landsleute den heutigen Welschen und Spaniern unzeitig nachäffen, und sich mit ihren nicht selten merklich abschießenden Farben ausputzen. Wenn aber die ehrlichen Leute ja nicht, wie es doch wohl seyn sollte, bey den alten Griechen und Römern in die Schule gehen, und von ihnen etwas lernen möchten: So würde es doch zum wenigsten gar wohl gethan seyn, wenn sie die reine und doch zugleich hohe Schreibart, derer sich die Welschen im vergangenen Jahrhunderte, und noch itzt die Franzosen bedienen, etwas mehr in acht nähmen; und vielmehr den rechten Verstand einer Sache, als zwar köstlich lautende, aber vielmals wenig oder nichts bedeutende Worte, und den hieraus entspringenden Mischmasch, welchen man in Frankreich Galimatias und Phöbus zu heißen pflegt, beliebten.

Siehe des Herrn von St. Evremond Lustspiel SIR POLITICK WOULD BE, nach, wo er einen italienischen Abt in lauter solchen CONCETTI, oder spitzfindigen Einfällen redend einführet, und dadurch diese Schreibart zum Gelächter machet.


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