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Geraldine Gutiérrez-Wienken: Die Stille ist ein Tänzer / El silencio es una bailarina

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Barbara Zeizinger

Geraldine Gutiérrez-Wienken: Die Stille ist ein Tänzer / El silencio es una bailarina. Übersetzt von Astrid Nischkauer. Wien (edition fabrik.transit) 2024, 102 Seiten. 15,00 Euro.

Eine Poetik voller Geheimnisse


»Die Stille ist ein Tänzer / El silencio es una bailarina« lautet der Titel des zweisprachigen Gedichtbandes der venezolanischen Dichterin, Übersetzerin und Gründerin des hochroth-Heidelberg-Verlages Geraldine Gutiérrez-Wienken.

»Die Geschichte ist kurz. Sehr kurz. Die Stille der Natur / Durst. Die Stille ist das am wenigsten Passive. Ein / Krug voller Vorfahren. Mensch ohne Bleibe.«

So lauten die ersten Zeilen des Lyrikbandes, und mit ihnen setzt Geraldine Gutiérrez-Wienken den leicht melancholischen Ton der folgenden Gedichte. Sind sie doch eine Suche, ein Herantasten an die Frage, was dem lyrischen Ich der Dichterin eine Bleibe, einen Ort in dieser Welt bieten könnte. Denn in vielen Gedichten ist von Entwurzelung die Rede. So vor allem in dem Bild (wohl in Anlehnung an Georg Baselitz) eines kopfüber stehenden Baumes, das in mehreren Gedichten auftaucht.

»Fragiler / kopfüberstehender Baum. Im Geheimnis / des künftigen Zeitalters.«

»Mein Haus ist ein kopfüber stehender Baum / ohne zu fragen antwortet es mit Erinnerungen / biegt sich.«
oder
»sagen wir zum kopfüber stehenden Wald. / Dort bin ich weder / die noch der.»
Gegen Entwurzelung und »Auffällige Variationen derselben gut durchwachsenen / Einsamkeit« setzt die Autorin Bilder der Natur. So bevölkern eine Heuschrecke, eine Schlange, Zugvögel, Vögel überhaupt und immer wieder Falter die Gedichte. Oder Pflanzen. Sei es das wurzelbildende »unterirdische Rhizom« der Mutter, Goethes Ginkgo biloba oder die tropische Nutzpflanze Malanga.

»Ich / folge dem natürlichen Malanga-Rhythmus in der Küche.«
Viele Bezüge, auch Querbezüge, gibt es zu Archäologie (Amphoren, Astrolabien, archaische Aquädukte) und zur Bildenden Kunst, wobei vor allem Louise Bourgeois sowie die Surrealisten in mehreren Gedichten vorkommen. Welche Bedeutung die Kunst für Geraldine Gutiérrez-Wienken hat, nämlich das Unsichtbare darzustellen, erfahren wir in dem Auszug des Gedichts über das Sfumato. Ein Gedicht, das für die Art des Schreibens von ihr stehen könnte.

»Zum Beispiel das des Sfumato / Das Sfumato erfordert gute Handhabung der Schattierungen / Das Sfumato entsteht aus doppelten Nächten / Das Sfumato vertieft vertreibt schattiert verwirrt macht un /sichtbar – was? Mama pudert sich bis zur Traurigkeit und / Papa schrieb mir Hasen. Nichts Einfaches zwei fünf Kapitel / hinter dem Unsagbaren. Worte die mich nicht finden / ein solitärer Stern und tausende Überlegungen / Das Sfumato bei dem ich mich gefunden habe [sehr gern] / Ja / Weil es kompliziert bleibt diesem Sfumato / das andere Paar hinzuzufügen das mir fehlt«

Es ist also das Unsagbare, das Unbewusste, das die Gedichte von Geraldine Gutiérrez-Wienken beinhalten. Sie erschließen sich Leserin und Leser nicht sofort, und manche bleiben rätselhaft. Doch das ist gerade der Reiz, sie mehrfach zu lesen, diese poetischen Worte in dem rhythmischen Sprachduktus, denn letztlich versteht man sie dann auf eine bestimmte Art und Weise doch.

Lesenswert ist auch das Nachwort von der Übersetzerin Astrid Nischkauer, in dem sie beschreibt, wie sich die enge Zusammenarbeit zwischen ihr und der Autorin bei der Suche nach den richtigen Worten entwickelt hat.
 


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