Georg Smirnov: Selma
Montags=Text
0
Foto: René Schiffer
Georg Smirnov:
Selma
mein
junges verwaistes
vereistes verkalktes
uraltes Geschöpf
vaterlos mutterlos
wortlos und ortlos
namen- und sprachlos
wanderst du
schleichst du umher
durch die blutige
blutende und
geschächtete
Landschaft
im unseligen
Dreieck von
Beresiwka
Romaniw und
Wladyn
suchst Heu dir
zu essen
und einen Graben
zum Trinken
suchst ein
verlassenes Grab
einen geneigten
verwitterten Grabstein
um dir
einen Ort
einen Namen
und Daten
zu rauben
um eine kleine Familie
aufzuerwecken
und Ruhe zu finden
im gemeinsamen Bett
ruh dich aus
müdes Kind
leg dich hin
hier ist Platz
hier ist Zeit
aufzuerwecken
und Ruhe zu finden
im gemeinsamen Bett
ruh dich aus
müdes Kind
leg dich hin
hier ist Platz
hier ist Zeit