Gad Kaynar Kissinger: Vier Gedichte
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						Gad Kaynar
						Kissinger
Vier Gedichte
übersetzt von Liliane Meilinger
Schweigen 
Zwischen uns stand Schweigen.
Stand da.
Wollte sich nicht setzen.
Nichts trinken.
Stand da.
Bis wir uns einander gegenüber
setzten.
Ohne uns anzusehen.  
Ohne Hände zu halten.
Saßen da.
Schwiegen.
Meiner Mutter Sprache 
Als ich geboren wurde war meiner Mutter Sprache verboten
auch meine Mutter war verboten denn als sie geboren wurde
wurde ihre Geburt in einer verbotenen Sprache gefeiert.
Und sie aß wenig und hielt sich im Schatten 
um keinen Schatten zu werfen,
damit ihre magere Gestalt nicht daran erinnere 
was jene getan hatten die ihre Sprache sprachen und
leider nicht auch ihr angetan hatten.
Und wenn ich auf die Straße sprang und sie
gib Acht sagte in ihrer verbotenen Sprache
schlug ich auf sie ein
und biss ins Fleisch ihres Armes um 
sie zu tätowieren
um allen zu zeigen dass ich nicht zu jenen gehöre 
die die verbotene Sprache sprechen.
Dass ich mit ihr nichts gemein habe.
Gebetsschals
						
						Komm hüllen
						wir uns gemeinsam in unser bleiernes  Schweigen 
						
						du mich
						umarmend und ich dich umarmend 
						
						zwei
						Gebetsschals die den Nicht-
						
						Körper
						einschnüren in die Totentücher seiner dunklen Geheimnisse 
						
						bis nicht
						mehr zu scheiden ist
						
						die Reine
						vom Unreinem und
						
						die Unreine
						vom Reinen 
						
						vermengt mit
						frischem Öl wie ein Liebesakt
						
						in einem
						Massengrab 
						
						Schönheit.
						Sonett mit fehlender Zeile 
						
						Keine Worte
						find ich deine Schönheit zu schildern 
						
						wie ein
						Kunstrestaurator dessen Pinsel versagt
						
						wenn er an
						eine unvergleichliche Madonna rühren soll
						
						die das
						Dunkel des Bildes mit den Jahren geschluckt hat
						
						oder die
						Sonne die den Himmel rosig färbt
						
						lange noch
						nachdem sie versunken
						
						in ihren
						Schoß
						
						Keine Stimme
						find ich deine Schönheit zu flüstern
						
						wie mein Fuß
						der sich scheut einen Teppich
						
						berauschend
						farbigen welken Laubes zu zertreten 
						
						im Wald der
						schwärzer als schwarz  ist   
						
						vor dem
						Holzfäller  
						
						 
 
