Friedrich Hölderlin: In lieblicher Bläue
Montags=Text
Friedrich Hölderlin
In lieblicher Bläue blühet mit dem metallenen Dache der Kirchturm. Den
umschwebet Geschrei der Schwalben, den umgibt die rührendste Bläue. Die Sonne
gehet hoch darüber und färbet das Blech, im Winde aber oben stille krähet die
Fahne. Wenn einer unter der Glocke dann herabgeht, jene Treppen, ein stilles
Leben ist es, weil, wenn abgesondert so sehr die Gestalt ist, die Bildsamkeit
herauskommt dann des Menschen. Die Fenster, daraus die Glocken tönen, sind wie
Tore an Schönheit. Nämlich, weil noch der Natur nach sind die Tore, haben diese
die Ähnlichkeit von Bäumen des Walds. Reinheit aber ist auch Schönheit. Innen
aus Verschiedenem entsteht ein ernster Geist. So sehr einfältig aber die
Bilder, so sehr heilig sind die, daß man wirklich oft fürchtet, die zu
beschreiben. Die Himmlischen aber, die immer gut sind, alles zumal, wie Reiche,
haben diese, Tugend und Freude. Der Mensch darf das nachahmen. Darf, wenn
lauter Mühe das Leben, ein Mensch aufschauen und sagen: so will ich auch sein?
Ja. So lange die Freundlichkeit noch am Herzen, die Reine, dauert, misset nicht
unglücklich der Mensch sich mit der Gottheit. Ist unbekannt Gott? Ist er
offenbar wie die Himmel? dieses glaub‘ ich eher. Des Menschen Maß ist’s. Voll
Verdienst, doch dichterisch, wohnet der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner ist
nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, wenn ich so sagen könnte, als der
Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit.
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Gibt
es auf Erden ein Maß? Es gibt keines. Nämlich es hemmen den Donnergang nie die
Welten des Schöpfers. Auch eine Blume ist schön, weil sie blühet unter der
Sonne. Es findet das Aug‘ oft im Leben Wesen, die viel schöner noch zu nennen
wären als die Blumen. O! ich weiß das wohl! Denn zu bluten an Gestalt und Herz,
und ganz nicht mehr zu sein, gefällt das Gott? Die Seele aber, wie ich glaube,
muß rein bleiben, sonst reicht an das Mächtige auf Fittigen der Adler mit
lobendem Gesange und der Stimme so vieler Vögel. Es ist die Wesenheit, die
Gestalt ist’s. Du schönes Bächlein, du scheinest rührend, indem du rollest so
klar, wie das Auge der Gottheit, durch die Milchstraße. Ich kenne dich wohl,
aber Tränen quillen aus dem Auge. Ein heiteres Leben seh‘ ich in den Gestalten
mich umblühen der Schöpfung, weil ich es nicht unbillig vergleiche den einsamen
Tauben auf dem Kirchhof. Das Lachen aber scheint mich zu grämen der Menschen,
nämlich ich hab‘ ein Herz. Möcht‘ ich ein Komet sein? Ich glaube. Denn sie haben
die Schnelligkeit der Vögel; sie blühen an Feuer, und sind wie Kinder an
Reinheit. Größeres zu wünschen, kann nicht des Menschen Natur sich vermessen.
Der Tugend Heiterkeit verdient auch gelobt zu werden vom ernsten Geiste, der
zwischen den drei Säulen wehet des Gartens. Eine schöne Jungfrau muß das Haupt
umkränzen mit Myrtenblumen, weil sie einfach ist ihrem Wesen nach und ihrem
Gefühl. Myrten aber gibt es in Griechenland.
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Wenn einer in den Spiegel siehet, ein Mann, und siehet darin sein Bild, wie
abgemalt; es gleicht dem Manne. Augen hat des Menschen Bild, hingegen Licht der
Mond. Der König Oedipus hat ein Auge zuviel vielleicht. Diese Leiden dieses
Mannes, sie scheinen unbeschreiblich, unaussprechlich, unausdrücklich. Wenn das
Schauspiel ein solches darstellt, kommt’s daher. Wie ist mir’s aber, gedenk‘
ich deiner jetzt? Wie Bäche reißt das Ende von Etwas mich dahin, welches sich
wie Asien ausdehnet. Natürlich dieses Leiden, das hat Oedipus. Natürlich ist’s
darum. Hat auch Herkules gelitten? Wohl. Die Dioskuren in ihrer Freundschaft
haben die nicht Leiden auch getragen? Nämlich wie Herkules mit Gott zu
streiten, das ist Leiden. Und die Unsterblichkeit im Neide dieses Lebens, diese
zu teilen, ist ein Leiden auch. Doch das ist auch ein Leiden, wenn mit
Sommerflecken ist bedeckt ein Mensch, mit manchen Flecken ganz überdeckt zu
sein! Das tut die schöne Sonne: nämlich die ziehet alles auf. Die Jünglinge
führt die Bahn sie mit Reizen ihrer Strahlen wie mit Rosen.
Die Leiden scheinen so, die Oedipus getragen, als wie ein armer Mann klagt, daß ihm etwas fehle. Sohn Laios, armer Fremdling in Griechenland! Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben.
Die Leiden scheinen so, die Oedipus getragen, als wie ein armer Mann klagt, daß ihm etwas fehle. Sohn Laios, armer Fremdling in Griechenland! Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben.
1808