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Friederike Haerter: Drei Texte

Montags=Text
Friederike Haerter

Drei Texte


Winter

ich lös mich am Feld
aus dem Griff einer Hand
und verfolge die Spuren der Hasen
ich jage dem Tag nach
dring ein ins Gestrüpp
mit den Stimmen im Rücken:
man ruft mich zurück

ich drück mich an Mäntel
befühl ihre Taschen
schlupf unter in Wolle
und Wölkchen Parfum
ich hör meine Stimme
verschwinden darin
und nur dieses Kratzen:
die Großen kehrn in sich
und wenn sie erzählen
von Tagen im Winter
lichten sich Bilder
aus Schnee in mir ab

ich presche hervor
aus dem Schwarz unterm Ärmel
will Licht schnappen Luft
wieder Jägerin sein
das Dickicht aufspüren
mich selbst draus vertreiben
das Kind in der Lichtung
davonlaufen sehn



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zu halb vier das Zimmer
schwimmt in Schatten dicht
zwischen Tisch und
Stühlen wälzen
Sich die Bücherrücken

draußen läuft ein Tag
blau an. In die engen Schläfen
presst er sich das
ganze Leuchten
licht belaubter Seelen
eine Linde still die Luft

und mir scheint
die Spitzhüte der Kirchen
machten sich von ihren Türmen los
zögen rastlos durch die Giebel
Straßenarme stießen
wundgetastet aus der Stadt
hinaus ins Weite
und der Takt der Turmuhr
pochte durch



am Ende des Jahres

hungert die Erde
die Mägen sind leer
und es knurrt und es knarrt
in den Stämmen

die Seen verzehrn sich
das Eis hält sie dicht
sie ringen um Himmel
und spiegeln ihn nicht


In Friederike Haerter: Im Zugwind flüchtender Tage. Gedichte. München
(Aphaia Verlag – Mitlesebuch 149) 2022. 68 Seiten. 15,00 Euro.
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