Franz Kafka: Tagebuch 27. Dezember 1911
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Franz Kafka
Tagebucheintrag 27. Dezember 1911
Ein unglücklicher Mensch, der kein Kind haben
soll, ist in sein Unglück schrecklich eingeschlossen. Nirgends eine
Hoffnung auf Erneuerung, auf eine Hilfe durch glücklichere Sterne. Er
muß mit dem Unglück behaftet seinen Weg machen, wenn sein Kreis beendet
ist, sich zufrieden geben und nicht weiterhin anknüpfen, um zu
versuchen, ob dieses Unglück, das er erlitten hat, auf einem längern
Wege, unter andern Körper- und Zeitumständen sich verlieren oder gar ein
Gutes hervorbringen könnte.
Dieses Gefühl des Falschen, das ich beim Schreiben habe, ließe sich
unter dem Bilde darstellen, daß einer vor zwei Bodenlöchern auf eine
Erscheinung wartet, die nur aus dem zur rechten Seite herauskommen darf.
Während aber gerade dieses unter einem matt sichtbaren Verschluß
bleibt, steigt aus dem linken eine Erscheinung nach der andern, sucht
den Blick auf sich zu ziehn und erreicht dies schließlich mühelos durch
ihren wachsenden Umfang,
der endlich sogar die richtige Öffnung, so sehr man abwehrt, verdeckt.
Nun ist man aber, wenn man diesen Platz nicht verlassen will – und das
will man um keinen Preis – auf die Erscheinungen angewiesen, die einem
aber infolge ihrer Flüchtigkeit – ihre Kraft verbraucht sich im bloßen
Erscheinen-nicht genügen können, die man aber, wenn sie aus Schwäche
stocken, aufwärts und in alle Richtungen vertreibt, um nur andere
heraufzubringen, da der dauernde Anblick einer unerträglich ist und da
auch die Hoffnung bleibt, daß nach Erschöpfung der falschen
Erscheinungen endlich die wahren emporkommen werden. Wie wenig kräftig
ist das obere Bild. Zwischen tatsächliches Gefühl und vergleichende
Beschreibung ist wie ein Brett eine zusammenhanglose Voraussetzung
eingelegt.