Franz Hofner: Vier Gedichte
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						Franz Hofner
Vier Gedichte
der lyriker
						
						ha! da zappelt ein vogel im umgebastelten nist-
						
						kasten oben die linse der fotofalle unten
						schlagen
						
						die schwingen der sprache gegen das lackierte 
						
						sperrholz beginnt die routinierte engführung –
						bin
						
						vogel bin kasten bin kamera, gar: bin licht
						knickt
						
						hart an der kante naturwissenschaftlicher
						präzision
						
						unvermittelt ins infrarot. verlässlich ein
						stimmungs-
						
						killer, also nicht licht, bedaankje der
						antrainierten 
						
						selbstkontrolle stattdessen wendung ins parlando
						
						erste halme handlung eingeschleppt das mickrige 
						
						einflugloch der ermüdende stauprozess moderne
						
						schichtungen verdichtungen jetzt fehlt die wärme 
						
						da erscheint aus der hinterhand ein zweites
						flügel-
						
						paar findet der text zum dir zu sich ins rettende
						wir
						
						vice versa
						
						wie ragen die höhen der dichtkunst auf - steile
						zacken und pfeiler
						
						die hochgebirge des gelingens erstbesteigungen in
						dünner
						
						luft schwer sich dort zu erhalten doch immer neue
						kühne
						
						höhepunkte erklommen markant und filigran
						zugleich 
						
						wie viel behaglicher wandert sichs in den
						mittelgebirgen 
						
						die felsen grasbedeckt blumenreich dann erste
						obstgärten 
						
						und wenig unterhalb werden die handfesten
						erdäpfel 
						
						des hügellands nicht mehr verschmäht und doch
						abfällig 
						
						hinabgeblickt auf das flachland der vierhebigen 
						
						jamben im kreuzreim zum runden geburtstag 
						
						oder dem eintritt des ruhestands doch tiefere
						
						abgründe lauern und kunstvoller 
						
						ausgehobene schächte des scheitern
						
						grubengedichte aus neid und eifersucht
						
						die krater des spottgedichts die ewige
						
						finsternis des rachegedichts und jene
						
						aus enttäuschter liebe tiefseegräben 
						
						des selbstmitleids auch dort einsam und zäh 
						
						bohrend in angriff genommenes erschließen 
						
						immer neuer noch nie betretener gebiete
						
						wenn alle schlafen
						
						(für Sinn und Form, mit Dank für die letzte
						Zeile)
						
						die chance dass ein teilchenphysiker weiß wo 
						
						der mond steht ist nicht höher als bei unser-
						
						eins dass er auf dem feld roggen von weizen 
						
						unterscheiden kann oder das rotkehlchen 
						
						vom stolzen gimpel. er hat fermionen äsend 
						
						am waldrand ihren komplexen elfengleichen 
						
						spin-1/2 paarungstanz aufführen lassen hat 
						
						seinen kleinen atom-mathe-fake gefotoshopt 
						
						für hochglanz-magazine wie die astro-leute
						
						ihre liebestollen eruptionen fernster galaxien. 
						
						ach, all die früh promovierten, die ihren einge-
						
						impften enthusiasmus früh hinaus in die welt 
						
						posaunten die übriggebliebenen starren nun
						
						mit roten augen auf die kahlgekratzten stellen 
						
						ihrer harten wirklichkeiten auf die lang schon 
						
						faltig gewordenen brüste der mathematik auf 
						
						die am waldrand masturbierenden gibbons
						
						aufgeschoben ist nicht aufgehoben
						
						die einrichtung des lehrstuhls für tragische
						wissenschaften
						
						blieb unvollzogen, die mittel erneut zwar
						bewilligt aber nicht
						
						freigegeben. der auftrag schien historisch gut
						begründet und doch
						
						immer noch nicht opportun. frühformen des wissens
						- eine art 
						
						flechten zu studieren wie sie heute schatten von
						sonderforschungs-
						
						bereichen besiedeln unscheinbare uralte moose an
						den rändern 
						
						und fugen der trittsteine zu den
						exzellenz-clustern ein feld wie die
						
						erforschung der mikroorganismen in jenen
						dörflichen mauerecken 
						
						an die über jahrhunderte nachts heimkehrende
						zecher urinierten 
						
						die kopernikanische blickwendung:
						historiographisch abzuleiten
						
						aus den anfängen des wissens die kipppunkte hin
						zu seinem ende
						
						 
 
