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Folge 3

Montags=Text > Prosa


Martina Hefter


Ähnlichkeit



Vorbemerkung: Es wird zum Abschluss meiner Übungen zu „Der schaudernde Fächer“ einige Links zu Trailern von Tanzstücken zu sehen geben. Wenn es jetzt also doch wieder um Tanz zu gehen scheint, könnte mir das als Selbstsucht ausgelegt werden. Dass ich nur so tue, als beschäftige ich mich mit der Arbeit von jemand anderem, um dann doch wieder auf mich zu verweisen und auf meine Interessen, Schwerpunkte, Steckenpferde. Aber das wollte ich wirklich nicht. Ich habe die Tanztrailer aus Pragmatismus hergenommen, weil ich im Tanz am schnellsten weiß, wo ich suchen kann nach dem, was ich brauche. Man kann das Folgende gern auch mit anderen Kunstwerken machen, Musikstücke hernehmen, Bilder, Installationen usw.


Wenn man sich Ausschnitte oder Szenen aus „Der schaudernde Fächer“ als Tanzstück vorstellen, und wirklich nur vorstellen würde, könnte dieses Stück da und dort Ähnlichkeiten mit folgenden Trailern bereits bestehender Tanzstücke haben. Die wiederum weisen bestimmte Aspekte bzw. Charakteristika auf, von denen ich meine, dass sie einigen – längst nicht allen – Aspekten und Charakteristika in den Erzählungen gleichen. Wobei mir wichtig ist zu sagen, dass ich kein Tanzstück aus Teilen des Buchs oder dem ganzen Buch machen will. Solche Zusammenhänge auch mutwillig herzustellen oder sie aufzuspüren hilft mir dabei, Kunstwerke intensiver und mit mehr Erkenntnis und vielerlei Aha-Effekten betrachten zu können. Dazu gibt es im schaudernden Fächer eine Stelle in dem Text „Schönheitstheorie“, die, finde ich, zu diesem Sachverhalt recht gut passt, sofern ich sie nicht grandios missverstanden habe.


„Ich meine, Schönheit könnte aus Ähnlichkeiten bestehen. Zwischen den Verbindungen freilich liegen Elemente, die teils einander gleichen, teils anders sind; wesentlich sind aber die Anordnung, die Konstellationen der Verbindungen, noch im Relativen charakteristisch; und auch mit ganz anderen Inhalten. Das hält mir die Welt zusammen, das Wiedererkennen von Konstellationen aus den unterschiedlichsten Materialien: Sound, Wald, Beziehungen, Muster, Bewegungen, Gedanken, Zweige, Wegverläufe, Proportionen.“

Bevor Ihr den ersten Link zum ersten Trailer öffnet: Den Titel dieses Tanzstücks halte ich für ganz misslungen, nicht nur im Zusammenhang mit Anns Buch. Ich glaube, das muss ich nicht näher erklären, ihr werdet sofort erkennen, was ich meine. Bitte auf keinen Fall denken, ich würde den Titel irgendwie in Beziehung setzen zum Buch oder – uaahrrgg, das wäre vollends grauenhaft – zur Autorin. Ich fand den Trailer aber, ohne den Titel betrachtet, sehr gut, und auch sehr gut geeignet für diesen Vergleich. Also einfach den Titel ignorieren, das darf man schon mal. Insgesamt habe ich auch die Begleittexte zu den Trailern etwas außer Acht gelassen. Und es ist eigentlich in allen Trailern egal, ob die Darsteller/innen Männer oder Frauen sind. Meistens geht es um Ähnlichkeit im Bezug darauf, wie Personen miteinander umgehen. Das muss nicht auf zwei Leute beschränkt bleiben, kann aber.

Irgendwas ist in diesem Stück, das mich sehr an Aspekte des Buchs erinnerte. Es scheinen auf: Abgekapseltsein bei gleichzeitiger Synchronizität (Seifenblasensyndrom), paralleles Handeln, aber dabei asynchron zucken. Schlägerei, Anfälle von Umarmung, Überraschtsein. Zärtlichkeit vs. rotzig sein. Durchsetzungsvermögen, charmantes Augenzwinkern. Feuer schießt aus ihren Rachen, nachdem zwei Leute sich geküsst haben.

Man könnte zuerst denken, dieses Stück passt weniger, da solche symmetrischen Anwandlungen in Anns Erzählungen zumindest nicht sichtbar sind, weder in Form noch Inhalt. Für mich liegt das Ähnliche aber trotzdem auf der Hand: Erstens in der sonderbaren Stimmung, die hier wie dort fast wie von einem anderen Planeten daherkommt, und die aber trotzdem so vertraut ist, dass es mir selber zum Beispiel als völlig selbstverständlich erscheint, wenn ich allen erzähle, ich käme vom Mars, da sehe es nun mal so aus. Wieso der Trailer noch zum Buch passt: Wegen allgemeiner Umsicht, Vorsicht. Maß nehmen, Sorgfalt, Durchsetzung. Mathematisches Verständnis. Wegen zirzensischer Haltung, zirzensischen Späßen, zirzensischer Selbstverständlichkeit. Das Bühnenbild erinnert mich an die Erzählung “Idyllen. Chillen“, und zwar am ehesten an die Landschaft da, wie ich sie mir vorstelle.

Ein bißchen wie 1., die Qualität des Umgangs miteinander betreffend. Hier aber eher die sanften Aspekte, ein Miteinander irgendwie nach Art von Wichteln. Aus der Sanftheit zueinander schießt manchmal plötzlich Grobheit heraus. Zusammenbruch und Zappeln. Ich denke an einige Momente in der Erzählung „Symposion“. Der Titel des Tanzstücks, „Heilung“ ist gut, ich verstehe ihn sowohl für das Stück wie für die Erzählungen nicht in einem esoterischen Sinn, und auch überhaupt nicht als Heilung von Krankheit, Verwirrung, Kummer, sondern als Zustand, der von vornherein schon da ist, aber nicht immer gebraucht und manchmal sogar verachtet wird. Heilung, wie die Wahrheit einen manchmal überkommen will, verdammt. Nur die Ziege am Schluss, die kann ich nirgendwo im Buch feststellen, unterbringen oder sie anderweitig verwenden.

Und hier Aspekte des gelingenden Slapsticks, wie ich auch welche in den Erzählungen finde. Hochkonzentriert präzisen Quatsch machen. Alles tief empfunden meinen, und das auch nicht verleugnen. Buster Keatons Gesichtsausdruck gut finden. In die Schönheit steppen. Clownesk gekleidet sein. Man darf es sagen: Das ist extrem anmutig.

Ui, eine recht ernste Tortenschlacht in Zeitlupe! Oder auch: Krassa und Prätz. Und zwar in einem Miteinander, wie es vielleicht in den Erzählungen selbst gar nicht vorkommt, sondern in Konstellationen, wie sie weitergedacht werden könnten, wenn man mit dem Buch durch ist. Auch Aspekte des Ringkampfs. Zähigkeit, Gewicht. Hier wird ganz schön viel nachgedacht. Dort auch.  

Aspekte von Melancholie, Struggle, Fuchteln nach Wahrhaftigkeit. So geht Schönheit. Auch drin: die Gitarren Berlins. Der junge Fritz. Mir geht es so, dass ich eher den Tänzer (Philipp Gehmacher) mit fast allen der Erzählerinnen und Erzählern identifizieren kann.



Zum Abschluss:
Wenn ich also ein Tanzstück machen würde zu dem Buch „Der schaudernde Fächer“, dann hätte ich hier einige Skizzen dazu. Sie sind nichts anderes als mögliche Raumwege, die Personen nehmen könnten, keine andere Bedeutung steckt dahinter. Sie sind so einfach, wie sie aussehen. Die erste Skizze könnte vielleicht ein Diagramm sein von, sagen wir, Gefühlsqualitäten, und wie man sie in einfache Bewegungsarten umsetzen könnte.


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