Fernando Pessoa: Todo o dia, em toda a sua desolação de nuvens leves e mornas
Montags=Text
Fernando Pessoa
übersetzt von Werner Wanitschek
160 - 8. 4.
1931
Todo o dia, em
toda a sua desolação de nuvens leves e mornas
Der ganze Tag,
in seiner ganzen Trostlosigkeit von leichten und lauen Wolken, war ausgefüllt
von den Meldungen, daß Revolution wäre. Diese Nachrichten, falsch oder wahr,
erfüllen mich immer mit einem besonderen Unbehagen, einer Mischung aus
Verachtung und körperlichem Ekel. Es schmerzt meinen Verstand, daß jemand
meinen könnte, daß sich etwas ändert, indem man sich auflehnt. Die Gewalt,
welche auch immer, war für mich stets eine glotzäugige Form menschlicher
Dummheit. Außerdem sind alle Revolutionäre Dummköpfe, wie es in geringerem weil
weniger lästigem Grad alle Reformatoren sind.
Revolutionär
oder Reformator – der Irrtum ist der gleiche. Unvermögend, seine eigene Haltung
dem Leben gegenüber, was alles ist, oder sein eigenes Wesen, was fast alles
ist, zu beherrschen oder zu reformieren, flüchtet der Mensch in den Wunsch, die
anderen oder die äußere Welt zu ändern. Jeder Revolutionär, jeder Reformator
ist ein Ausreißer. Kämpfen heißt nicht fähig sein, sich zu bekämpfen.
Reformieren heißt, sich selbst nicht bessern zu können.
Der Mann mit
rechtem Empfindungsvermögen und gerader Vernunft, wenn ihn das Böse und die
Ungerechtigkeit in der Welt bekümmern, sucht, um sie zu ändern,
natürlicherweise zuerst dort, wo sie sich zunächst äußern; und er findet sie in
seinem eigenen Wesen. Für dieses Werk braucht er das ganze Leben.
Alles liegt für
uns in unserer Vorstellung von der Welt; unsere Vorstellung von der Welt zu
verändern heißt die Welt für uns zu verändern, also bedeutet dies, die Welt zu
verändern, denn sie kann, für uns, nur sein, was sie für uns ist. Jene innere
Gerechtigkeit, durch die wir eine klare und schöne Seite schreiben, diese wahre
Reformation, durch die wir unser totes Empfindungs-vermögen wieder zum Leben
erwecken – dies ist die Wahrheit, unsere Wahrheit, die einzige Wahrheit. Was es
sonst noch in der Welt gibt, ist Landschaft, Rahmen um unsere Empfindungen,
Einbände von dem, was wir denken. Und so ist es, sei es die bunte Landschaft
der Dinge und der Wesen – die Felder, die Häuser, die Plakate und die Kleider
–, oder die farblose Landschaft der monotonen Seelen, die für einen Augenblick
in alten Worten und verbrauchten Gesten an die Oberfläche steigt, um dann
wieder auf den Grund der grundlegendenden Dummheit des menschlichen Ausdrucks
zu sinken.
Revolution?
Veränderung? Was ich tatsächlich will, mit der ganzen Innigkeit meiner Seele,
ist, daß die tonlosen Wolken aufhörten, die den Himmel aschgrau einseifen; was
ich will, ist zu sehen, wie das Blau zwischen ihnen erscheint, sichere und
eindeutige Wahrheit, weil sie nichts ist noch will.